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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt
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Einkünfte eines leitenden Angestellten (hier: Schweiz)

Die Einkünfte eines auch in Deutschland steuerpflichtigen leitenden Angestellten einer Schweizer Kapitalgesellschaft sind in der Schweiz zu versteuern und in Deutschland freizustellen, da die Fiktion des Tätigkeitsortes am Sitz der Gesellschaft auch gilt, wenn der leitende Gesellschaft einen Großteil seiner Tätigkeit außerhalb der Schweiz erbringt.

BFH Urteil vom 11.11.2009, Az: I R 83/08

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren 1999 und 2000 Geschäftsführer einer Schweizer AG, der K-AG mit Sitz in der Schweiz. Er wohnte mit seiner Ehefrau und seiner Tochter, die sich in den Streitjahren in Ausbildung befand, in einem Einfamilienhaus in Baden-Württemberg (dort in R). Gleichzeitig unterhielt er in den Streitjahren eine Wohnung in der Schweiz (dort in T). Der Kläger wurde in den Streitjahren mit seinen gesamten Einkünften aus der Tätigkeit als Geschäftsführer in der Schweiz besteuert.

In einer Besprechung vom 21. Oktober 2003 verständigte der Kläger sich mit dem Vorsteher des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt –FA–) wegen der umfangreichen Reisetätigkeit des Klägers in Drittstaaten in tatsächlicher Hinsicht darauf, dass bei insgesamt 250 Arbeitstagen in den Streitjahren jeweils 80 Nichtrückkehrtage i.S. des Art. 15a Abs. 2 Satz 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 11. August 1971 (BGBl II 1972, 1022, BStBl I 1972, 519) i.d.F. des Protokolls vom 21. Dezember 1992 (BGBl II 1993, 1888, BStBl I 1993, 928) –DBA-Schweiz 1992– vorlagen.

Das FA bezog bei der Veranlagung des Klägers und seiner Ehefrau für die Streitjahre die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als Geschäftsführer der K-AG mit dem auf die Tätigkeit in Drittstaaten entfallenden Anteil, für die es entsprechend der tatsächlichen Verständigung 80 Tage ansetzte, in die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ein. Es ging hierbei davon aus, dass der Kläger und seine Ehefrau im Inland ansässig waren. Der Einspruch blieb erfolglos.

Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 1. April 2008 11 K 138/05, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 385, statt.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Dem Revisionsverfahren sind das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Finanzministerium des Landes Baden-Württemberg (FinMin) beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO–). Das BMF hat ebenso wie das FinMin keinen Antrag gestellt.


Entscheidungsgründe


II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Geschäftsführer der K-AG sind auch insoweit unter Anwendung des Progressionsvorbehalts von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen, als sie auf Tätigkeiten in Drittstaaten entfallen.


1. Der Kläger war in den Streitjahren gemäß § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) unbeschränkt steuerpflichtig; er unterlag daher mit allen in den Streitjahren erzielten Einkünften der Einkommensteuer. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) hatte der Kläger in den Streitjahren einen Wohnsitz im Inland.

2. Die Ausübung des hiernach bestehenden Besteuerungsrechts war aber, soweit es um die hier streitigen Einkünfte geht, durch das DBA-Schweiz 1992 eingeschränkt.

a) Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 werden bei einer in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässigen Person Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen i.S. des Art. 15 DBA-Schweiz 1992, soweit sie nicht unter Art. 17 DBA-Schweiz 1992 fallen, von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer ausgenommen, wenn sie nach dem Abkommen in der Schweiz besteuert werden können und die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird.

b) Der Kläger war in den Streitjahren i.S. des Art. 4 DBA-Schweiz 1992 in Deutschland ansässig. Nach den Feststellungen des FG verfügte der Kläger in den Streitjahren sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz über eine ständige Wohnstätte. Für die Beurteilung der Ansässigkeit kommt es damit nach Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA-Schweiz 1992 darauf an, wo sich der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers befand. Die Würdigung des FG, dass der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Klägers in Deutschland lag, wird von den Beteiligten nicht angegriffen und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

c) Die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit können nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz besteuert werden.

Nach Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 können vorbehaltlich des Art. 15a DBA-Schweiz 1992 die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen Person aus einer Tätigkeit als Vorstandsmitglied, Direktor, Geschäftsführer oder Prokurist einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft in der Schweiz besteuert werden, sofern die Tätigkeit nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasst. Besteuert die Schweiz diese Einkünfte nicht, so können sie in Deutschland besteuert werden (Art. 15 Abs. 4 Satz 2 DBA-Schweiz 1992).

Der Kläger war nach den Feststellungen des FG Geschäftsführer der in der Schweiz ansässigen K-AG; er gehörte damit zum Kreis der in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 genannten leitenden Angestellten. Das FG hat nicht festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfasste. Schließlich wurden die Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Geschäftsführer in den Streitjahren in der Schweiz besteuert.

Die Anwendung des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 wird im Streitfall nicht durch Art. 15a DBA-Schweiz 1992 ausgeschlossen. Denn der Kläger ist kein Grenzgänger i.S. des Art. 15a DBA-Schweiz 1992, da er in den Streitjahren jeweils an mehr als 60 Arbeitstagen auf Grund seiner Arbeitsausübung nicht an seinen Wohnsitz zurückgekehrt ist (Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Dies ergibt sich aus der tatsächlichen Verständigung zwischen dem Kläger und dem FA, nach der in den Streitjahren infolge der vom Kläger unternommenen Reisen in Drittstaaten jeweils 80 Nichtrückkehrtage vorgelegen haben. Auf Seiten des FA war der Vorsteher als zuständiger Amtsträger an der Verständigung beteiligt. Die tatsächliche Verständigung betraf einen Sachverhalt der Vergangenheit (Reisetätigkeit des Klägers), dessen Ermittlung erschwert war. Die Beteiligten sind daher an den Inhalt der tatsächlichen Verständigung gebunden (vgl. Senatsurteil vom 8. Oktober 2008 I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121, m.w.N.).

d) Das FG hat zutreffend angenommen, dass der Kläger seine Arbeit in den Streitjahren auch insoweit i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 in der Schweiz ausgeübt hat, als er in Drittstaaten tätig geworden ist.

aa) Nach dem Senatsurteil vom 25. Oktober 2006 I R 81/04 (BFHE 215, 237) wird die Tätigkeit eines in Deutschland ansässigen leitenden Angestellten für eine schweizerische Kapitalgesellschaft, die unter Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 fällt, auch insoweit i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 „in der Schweiz ausgeübt“, als sie tatsächlich außerhalb der Schweiz verrichtet wird. Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 enthält danach für seinen Anwendungsbereich eine Fiktion des Tätigkeitsortes, die auch bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 zu berücksichtigen ist. Hieran hält der Senat fest.

bb) Die in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 enthaltene Fiktion des Tätigkeitsortes ergibt sich nicht nur aus der Entstehungsgeschichte (vgl. hierzu ausführlich Senatsurteil in BFHE 215, 237, unter II.2.b aa), sondern auch aus dem Regelungszusammenhang und der übereinstimmenden Praxis der Vertragsparteien bei der Auslegung der Vorschrift.


aaa) Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 knüpft das Besteuerungsrecht der Schweiz an die Tätigkeit als leitender Angestellter einer in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft. Das Besteuerungsrecht ist indessen nicht vollständig vom örtlichen Bezug dieser Tätigkeit gelöst. Denn die Zuordnung des Besteuerungsrechts gilt nur für Tätigkeiten, die nicht so abgegrenzt sind, dass sie lediglich Aufgaben außerhalb der Schweiz umfassen. Der Regelungszusammenhang des Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 liefert damit Anhaltspunkte für die Übernahme der von den Vertragsparteien zu Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1931/1959 (BStBl I 1959, 1006) vertretenen Auslegung (Senatsbeschluss vom 15. Dezember 1998 I B 45/98, BFH/NV 1999, 751; Senatsurteil in BFHE 215, 237, unter II.2.b aa).

Nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1931/1959 bestand für Einkünfte aus Arbeit ein ausschließliches Besteuerungsrecht des Vertragsstaats, in dessen Gebiet die persönliche Tätigkeit ausgeübt wurde, aus der die Einkünfte herrührten. Für leitende Angestellte von Kapitalgesellschaften ist die deutsche Seite in diesem Zusammenhang stets davon ausgegangen, dass die persönliche Tätigkeit am Sitz der Gesellschaft ausgeübt wird, soweit sie nicht so abgegrenzt ist, dass sie lediglich im Ausland sich auswirkende Aufgaben umfasst (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs –BFH– vom 12. August 1960 VI 300/58 S, BFHE 71, 514, BStBl III 1960, 441, m.w.N.; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 15. November 1971 GrS 1/71, BFHE 103, 433, BStBl II 1972, 68). Dass dieselbe Abgrenzung sodann im Wortlaut des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 ihren Niederschlag gefunden hat, deutet darauf hin, dass die Vertragsstaaten übereinstimmend dem deutschen Verständnis im Hinblick auf den Arbeitsort gefolgt sind.

bbb) Die Fiktion des Tätigkeitsortes folgt nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (WÜRV) vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985, 926) auch aus der übereinstimmenden Praxis der Vertragsparteien bei der Auslegung des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992. Nach Art. 31 Abs. 3 Buchst. b WÜRV ist bei der Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrags jede spätere Übung bei der Anwendung des Vertrags zu berücksichtigen, aus der die Übereinstimmung der Vertragsparteien über seine Auslegung hervorgeht; durch das WÜRV wurde insoweit eine Regelung des Völkergewohnheitsrechts kodifiziert (Senatsurteil in BFHE 215, 237, unter II.2.b cc).

Im Hinblick auf Art. 15 Abs. 5 DBA-Schweiz 1971 (BGBl II 1972, 1022), der unverändert in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 übernommen wurde, haben beide Vertragsparteien übereinstimmend angenommen, dass der Ort des Sitzes der Kapitalgesellschaft als Tätigkeitsort des leitenden Angestellten anzusehen ist (vgl. Tz. 6 der Denkschrift der Bundesregierung vom 21. Januar 1972, BTDrucks VI/3233, S. 15, 17; Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung vom 20. Oktober 1971, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, Kommentar, A 3.1.1; Tz. B.II.4 Buchst. a des Kreisschreibens der Eidgenössischen Steuerverwaltung –EStV– vom 29. Februar 1972, abgedruckt in Flick/ Wassermeyer/Wingert/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Materialien, 6.2).

cc) Die in Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 enthaltene Fiktion des Tätigkeitsortes ist für die Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 maßgeblich.

aaa) Die Freistellung wird nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 für Einkünfte aus der Tätigkeit als leitender Angestellter einer schweizerischen Kapitalgesellschaft gewährt, soweit die Arbeit in der Schweiz ausgeübt wird. Der Wortlaut der Vorschrift lässt es damit zu, den Tätigkeitsort bei leitenden Angestellten nicht nach der tatsächlichen Verrichtung der Tätigkeit, sondern entsprechend der Auslegung des Merkmals der persönlichen Ausübung der Tätigkeit in Art. 4 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz 1931/1959 nach dem Ort der Ansässigkeit der Kapitalgesellschaft zu bestimmen. Ein solches Verständnis des Tätigkeitsortes wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich der Tätigkeitsort i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 bei anderen Arbeitnehmern danach richtet, wo die Arbeit tatsächlich verrichtet wird (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 751, m.w.N.; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2003 12 K 172/01, EFG 2004, 870).


Der Sachzusammenhang und die systematische Verknüpfung zwischen Art. 15 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz 1992 und Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 sprechen dafür, dass die Fiktion des Tätigkeitsortes hier wie dort gleichermaßen einschlägig ist (vgl. zur einheitlichen Auslegung von Verteilungs- und Methodenartikel im DBA-Luxemburg Senatsurteil vom 4. Juni 2008 I R 62/06, BFHE 222, 255, BStBl II 2008, 793, unter II.3.a). Zwar wären die Vertragsstaaten nicht gehindert gewesen, für die Zuweisung des Besteuerungsrechts in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 von einem anders definierten Tätigkeitsort auszugehen als für die Regelung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte im Vertragstext und erkennbarer Gründe für eine derartige Differenzierung liegt es aber näher, für die abkommensrechtliche Zuweisung des Besteuerungsrechts und die Freistellungsmethode ein einheitliches Verständnis des Tätigkeitsortes leitender Angestellter i.S. des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 anzunehmen (Senatsbeschluss in BFH/NV 1999, 751).

bbb) Das einheitliche Verständnis des Tätigkeitsortes trägt ferner dem Bedürfnis Rechnung, für die Anwendung der Freistellungsmethode auf die Einkünfte leitender Angestellter von Kapitalgesellschaften eine praktikable Regelung zu schaffen und Nachweisprobleme zu vermeiden. Denn die Tätigkeit dieses Personenkreises ist häufig durch eine umfangreiche Reisetätigkeit geprägt. Hinge die Reichweite der Freistellung von der tatsächlichen Verrichtung der Tätigkeit in der Schweiz ab, so müsste der leitende Angestellte hierfür taggenaue Aufzeichnungen über seine Tätigkeit führen, während solche Aufzeichnungen für die Zuweisung des Besteuerungsrechts nach Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 nicht erforderlich sind.

ccc) Dass die in Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 enthaltene Fiktion des Tätigkeitsortes bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 berücksichtigt wird, steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Senat für die mit Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 vergleichbare Regelung des Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1992 eine solche Fiktion abgelehnt und für Einkünfte aus der Tätigkeit an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs die Anrechnungsmethode angenommen hat, soweit die Tätigkeiten tatsächlich außerhalb der Schweiz ausgeübt werden (vgl. hierzu Senatsurteil vom 22. Oktober 2003 I R 53/02, BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704). Denn Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1992 knüpft für die Zuordnung des Besteuerungsrechts ausschließlich an den Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens an; ein Bezug zu der tatsächlichen Verrichtung der Tätigkeit fehlt und die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist in seinem Anwendungsbereich in aller Regel auch nicht geschäftsleitender Natur. Der Regelungszusammenhang der Vorschrift enthält daher –im Gegensatz zu Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992– keine Anhaltspunkte dafür, dass der räumliche Anknüpfungspunkt der Besteuerungszuständigkeit zugleich als Tätigkeitsort i.S. des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 anzusehen ist (Senatsurteil in BFHE 204, 102, BStBl II 2004, 704, unter II.4.). Hieraus ergibt sich zugleich, dass die in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 vorgesehene Beschränkung der Freistellung auf die Einkünfte aus der in der Schweiz ausgeübten Arbeit bei einer Berücksichtigung der Fiktion des Tätigkeitsortes in den Fällen des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 nicht leer läuft, da sie jedenfalls für die Freistellung der Einkünfte aus der Tätigkeit an Bord eines Schiffes oder Luftfahrzeugs nach Art. 15 Abs. 3 DBA-Schweiz 1992 ihre Bedeutung behält.

ddd) Gegen eine Berücksichtigung der Fiktion des Tätigkeitsortes bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 lässt sich schließlich nicht anführen, dass diese Fiktion auf der Ebene der Zuweisungsnorm des Art. 15 Abs. 4 DBA-Schweiz 1992 einschränkend auszulegen sei, um bei einer Tätigkeit des leitenden Angestellten in einem Drittstaat von mehr als 183 Tagen Konflikte zwischen dem Besteuerungsrecht der Schweiz und dem Besteuerungsrecht des Drittstaates zu vermeiden. Denn derartige Konflikte ergeben sich aus dem Zusammentreffen unterschiedlicher Doppelbesteuerungsabkommen; sie können damit für die Auslegung eines einzelnen Abkommens nicht von entscheidender Bedeutung sein.

eee) Der Senat hat in seinem Urteil in BFHE 215, 237 zur Begründung des einheitlichen Verständnisses des Tätigkeitsortes maßgeblich auf die langjährige Praxis der Vertragsstaaten bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 abgestellt. Die übereinstimmende Vertragspraxis hat er hierbei aus dem BMF-Schreiben vom 7. Juli 1997 (BStBl I 1997, 723) und dem Schreiben der EStV vom 4. Juli 1997 (abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., A 3.3.11) abgeleitet. Das BMF hat im Schreiben in BStBl I 1997, 723 dargelegt, ab dem Veranlagungszeitraum 1996 nicht mehr an der zuvor angewandten Freistellung der Einkünfte leitender Angestellter aus Inlands- oder Drittstaatstätigkeiten festzuhalten. Im BMF-Schreiben wird zugleich hervorgehoben, dass die EStV sich dieser geänderten Auffassung nicht anschließen könne (vgl. auch Schreiben der EStV vom 4. Juli 1997, ebenda). Die von der EStV im Schreiben vom 30. September 1999 (abgedruckt in Locher/Meier/ von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.4 Nr. 17) zum Ausdruck gebrachte Ablehnung der einseitig „nach über 20 Jahren erfolgte(n) Praxisänderung“ durch das BMF deutet ebenfalls darauf hin, dass zuvor zwischen dem BMF und der EStV Übereinstimmung bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 bestand.

Zweifel an der vom Senat im Urteil in BFHE 215, 237 angenommenen übereinstimmenden ursprünglichen Vertragspraxis bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 könnten sich zwar aus den Schreiben der EStV vom 19. Juni 1985 und vom 13. November 1985 (abgedruckt bis zur 16. Ergänzungslieferung [September 1996] in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, a.a.O., B 15.4 Nr. 4) ergeben. Die EStV führt in diesen Schreiben aus, dass die Unterscheidung zwischen Tätigkeiten der leitenden Angestellten im Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft und Tätigkeiten im Wohnsitzstaat oder in Drittstaaten nur insofern eine Rolle spiele, als die Freistellung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 nur für Einkünfte aus Tätigkeiten zu gewähren sei, die in der Schweiz ausgeübt würden. Der Senat kann aber dahinstehen lassen, ob trotz dieser möglichen Zweifel weiterhin eine langjährige übereinstimmende Praxis der Vertragsstaaten bei der Auslegung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 angenommen werden kann. Denn durch eine solche Vertragspraxis würde lediglich das bereits aus der Abkommenssystematik und den Praktikabilitätserwägungen abgeleitete Auslegungsergebnis bestätigt.

3. Das FG hat daher zutreffend angenommen, dass sämtliche Einkünfte des Klägers aus der Tätigkeit als Geschäftsführer der K-AG nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. d DBA-Schweiz 1992 von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer ausgenommen werden. Die Einkünfte sind im Rahmen des Progressionsvorbehaltes nach § 32b EStG 1997 bei der Ermittlung des Steuersatzes zu berücksichtigen (vgl. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DBA-Schweiz 1992). Dem entspricht das angefochtene Urteil, weshalb die dagegen gerichtete Revision unbegründet ist.







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