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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt
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Ausschluss des Sonderausgabenabzuges

Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge sind als Sonderausgaben nur im Wohnsitzstaat zu berücksichtigen. Es verstößt nicht gegen Europarecht, wenn diese Beträge, auch nicht anteilig, im Tätigkeitsstaat als Sonderausgaben in Abzug gebracht werden können.

Urteil  des FG Düsseldorf vom 30.04.2009 Az 16 K 4273/07

Tatbestand

Streitig ist die Berücksichtigung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen als Sonderausgaben im Rahmen der Veranlagung zur beschränkten Steuerpflicht.

Der Kläger arbeitete bis Mitte 2005 bei einer Firma im Inland. Seit 2005 ist er Rentner. Sein Wohnsitz befand sich im Streitjahr 2006 in den Niederlanden. Dort lebte er zusammen mit seiner Ehefrau, die im Streitjahr nicht berufstätig war und keine eigenen Einkünfte erzielte. Er selbst bezog von seiner ehemaligen Arbeitgeberin, einer inländischen Firma, eine nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie verschiedener sonstiger Steuern und zur Regelung anderer Fragen auf steuerlichem Gebiete vom 16. Juni 1959 (Bundesgesetzblatt II 1960, 1782, künftig DBA Niederlande) in den Niederlanden zu versteuernde Betriebsrente in Höhe von ca. 28.733 € (Gesamtentgelt lt. Lohnabrechnungen 30.305,86 € abgl. RNGS Zinsen 1.572,36 €) und eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der BRD in Höhe von 16.032 €, die nach DBA im Inland zu versteuern war. Für beide Renten wurden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für eine inländische (gesetzliche) Krankenversicherung einbehalten.

Für das Streitjahr gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung ab, in der er die Zusammenveranlagung mit seiner Ehefrau beantragte. Ferner machte er u.a. die von ihm geleisteten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 4.257 € bei den Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben sowie bestimmte außergewöhnliche Belastungen geltend.

Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) folgte dem nicht, sondern führte für den Kläger eine Einzelveranlagung durch. Im Einkommensteuerbescheid vom 30. Juli 2007 erfasste es die bezogene Rente aus der BRD zu 50% (= 8.016 €) als Einkünfte gem. § 22 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und setzte hierauf eine Mindeststeuer gem. § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung von 2.004 € (25% von 8.016 €) fest. Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte es nicht.

Dagegen legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2007 als unbegründet zurückwies. Zur Begründung führte es aus, dass natürliche Personen, die im Inland weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten, mit ihren inländischen Einkünften beschränkt steuerpflichtig seien. Gem. § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG seien für beschränkt Steuerpflichtige die Vorschriften betreffend die Sonderausgaben (§ 10 EStG) und die außergewöhnlichen Belastungen (§§ 33, 33a EStG) nicht anzuwenden. Daher komme der beantragte Sonderausgabenabzug für Vorsorgeaufwendungen nicht in Betracht. Gleiches gelte für die geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen.

Hiergegen richtet sich die fristgemäß erhobene Klage. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass es nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) geboten sei, einen im Ausland lebenden Steuerpflichtigen nach den gleichen Grundsätzen zu besteuern wie einen im Inland ansässigen Steuerpflichtigen. Für 2005 sei er zusammen mit seiner Ehefrau unter Berücksichtigung der Splittingtabelle und unter Anrechnung der Vorsorgeaufwendungen in der BRD veranlagt worden. Es sei nicht nachvollziehbar, warum dann für das Streitjahr 2006 seine persönlichen Umstände, die sich seit Jahren nicht geändert hätten, unberücksichtigt bleiben würden und insbesondere die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge keine Berücksichtigung fänden, obwohl er diese zwangsweise zahlen müsse. Dies führe zu einer höheren Belastung seiner Alterseinkünfte, die nicht rechtens sein könne, zumal bei Gebietsansässigen die geleisteten Vorsorgeaufwendungen berücksichtigt würden. Ein Ausgleich oder eine Anrechnung hierfür sei in den Niederlanden nicht vorgesehen. Ferner habe das FA bei der Berechnung der Mindeststeuer das BMF-Schreibens vom 10. September 2004 IV A 5-S 2301-10/04 (Bundessteuerblatt -BStBl- I 2004, 860) außer Acht gelassen, wonach eine Vergleichsrechnung vorgeschrieben sei.

Der Kläger beantragt zuletzt sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 30. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Oktober 2007 insoweit zu ändern, dass bei der Steuerberechnung Sonderausgaben in Höhe von 4.257 € berücksichtigt werden sowie den Steuersatz anzuwenden, der sich bei Anwendung des progressiven Steuertarifs gem. § 32a EStG zzgl. eines Betrages in Höhe des Grundfreibetrages ergibt, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Eine Berücksichtigung der geltend gemachten Sonderausgaben bzw. außergewöhnlichen Belastungen komme wegen § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG nicht in Betracht. Die vom Kläger zitierte Rechtsprechung des EuGH beziehe sich ausschließlich auf den Abzug von Betriebsausgaben, soweit sie mit inländischen Einkünften im Zusammenhang stünden. Im Übrigen sei der vom Kläger angestellte Vergleich mit den Berechnungskriterien des Jahres 2005 unzulässig. In dem Jahr 2005 sei er einer aktiven Tätigkeit als Arbeitnehmer nachgegangen und es hätten noch die Grundsätze der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gegolten. Dies treffe auf das Streitjahr nicht mehr zu. Die zutreffend errechnete Mindeststeuer belaufe sich auf 1.713 €.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

Die Klage ist unbegründet, soweit der Kläger eine Berücksichtigung seiner Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge als Vorsorgeaufwendungen im Rahmen des hierfür vorgesehenen Sonderausgabenabzugs begehrt (vgl. I.). Die Klage ist dagegen insoweit begründet, als der Kläger die unzutreffende Berechnung der Mindeststeuer rügt (vgl. II.).

I. 1. Die vom Kläger geltend gemachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge können nicht im Rahmen des Sonderausgabenabzugs für Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, Abs. 4 EStG berücksichtigt werden. Der Kläger war im Streitjahr beschränkt einkommensteuerpflichtig gem. § 1 Abs. 4 EStG. Er hatte im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt. Ferner bezog er in Gestalt der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 lit. a EStG. Das Recht zur Besteuerung dieser Einkünfte oblag gem. Art. 12 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 DBA Niederlande der BRD.

2. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung ist § 10 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen nicht anzuwenden. Das FA hat daher zu Recht die geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen nicht berücksichtigt. Soweit sich der Kläger sinngemäß darauf beruft, dass die Versagung des Sonderausgabenabzugs im Rahmen der Veranlagung als beschränkt Steuerpflichtiger gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, folgt der Senat dieser Auffassung nicht. Der Ausschluss des Sonderausgabenabzugs für Vorsorgeaufwendungen ist nach Ansicht des Senats europarechtskonform (gl.A. etwa Wied, in Blümich, Kommentar zum EStG, KStG, GewStG, § 50 EStG Rn. 20; a.A. jedenfalls in Bezug auf Altersvorsorgeaufwendungen Kulosa, in Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG und KStG, § 10 EStG Anm. 14).

Als maßgebliche Vorschrift des EG-Vertrags, die verletzt sein könnte, ist im Streitfall wohl Art. 18 EG i.V.m. Art. 12 EG einschlägig. Der – gegenüber Art. 18 EG vorrangige – Artikel 39 EG (Arbeitnehmerfreizügigkeit) dürfte dagegen nicht greifen, da sich der Kläger, der seit 1994 in den Niederlanden lebt, dorthin nicht zwecks Aufnahme einer nichtselbständigen Arbeit begeben hat und im Übrigen im Streitjahr auch nicht mehr als Arbeitnehmer tätig war (vgl. zur Negativabgrenzung beider Grundfreiheiten etwa das EuGH-Urteil „Turpeinen“ vom 9. November 2006 C-520/04, Sammlung der Rechtsprechung – Slg. -2006 I-10685 sowie die detaillierten Ausführungen des Generalanwalts Léger in seinem Schlussantrag vom 18. Mai 2006, insb. Rn. 55 ff.). Letztlich kann diese Frage aber dahinstehen, da sich hinsichtlich der Schutzbereiche keine Unterschiede ergeben dürften (vgl. etwa die Entscheidung „Pusa“, in der der EuGH auch der allgemeinen Freizügigkeit gem. Art. 18 EG den Schutzbereich der Grundfreiheiten zuerkannt hat, EuGH-Urteil vom 29. April 2004 C-224/02, Slg. 2004, I-5763). Sowohl Art. 18 EG als auch Art. 39 EG hat der EuGH in nunmehr ständiger Rechtsprechung zu umfassenden Beschränkungsverboten ausgeweitet (vgl. in Bezug auf Art. 18 EG das EuGH-Urteil zur Eigenheimzulage vom 17. Januar 2008 C-152/05, Slg. 2008, I-39).

Wie vom EuGH seit der „Schumacker“-Entscheidung in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, ist die unterschiedliche Ausgestaltung von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht im Allgemeinen nicht diskriminierend, da der beschränkten Steuerpflicht nur ein Teil der Gesamteinkünfte unterliegt und die Gesamt-Leistungskraft am leichtesten im Wohnsitzstaat beurteilt werden kann (vgl. EuGH-Urteil vom 14. Februar 1995 Rs. C-279/93, Slg. 1995, I-225, Rn. 31 f.; kritisch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 2002, 907 ff., der mit durchaus überzeugenden Argumenten die Überzeugungskraft der „Schumacker-Doktrin“ in Frage stellt). Denn Gebietsansässige und Gebietsfremde befinden sich in der Regel nicht in einer vergleichbaren Situation, so dass personenbezogene Abzüge im Quellenstaat Gebietsfremden nicht unbedingt gewährt werden müssen. Eine unterschiedliche Behandlung von beschränkt und unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Personen ist vor diesem Hintergrund also regelmäßig nicht gemeinschaftsrechtswidrig, soweit es um die Berücksichtigung der persönlichen und familiären Lebensumstände geht.

Etwas anderes gilt nach der EuGH-Rechtsprechung nur dann, wenn der Gebietsfremde in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte erzielt und sein zu versteuerndes Einkommen im Wesentlichen aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt, so dass der Wohnsitzstaat nicht in der Lage ist, ihm die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnisse und seines Familienstands ergeben (vgl. z.B. Urteile „Schumacker“, a.a.O., Rn. 36; und „de Groot“ vom 12. Dezember 2002 Rs. C-385/00, Slg. 2002, I-11819, Rn. 89). Dem hat der deutsche Gesetzgeber – europarechtskonform (vgl. EuGH-Urteil „Gschwind“ vom 14. September 1999 Rs. C-391/97, Slg. 1999, I-5451) – mit der Einführung der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht gem. §§ 1 Abs. 3, 1a EStG Rechnung getragen. Die unter diese Regelung fallenden Steuerpflichtigen können die anderen Gebietsansässigen im Hinblick auf ihre persönlichen Verhältnisse und ihren Familienstand eingeräumten Abzugsmöglichkeiten – etwa den Sonderausgabenabzug – beanspruchen. Die Voraussetzungen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht sind im Streitfall allerdings nicht einschlägig, da der Kläger mit seiner in den Niederlanden zu versteuernden Betriebsrente die relative Wesentlichkeitsgrenze (90%-Grenze) des § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG unterschreitet bzw. die absolute Wesentlichkeitsgrenze (6.136 €) überschreitet. Angesichts des in den Niederlanden zur Verfügung stehenden Steuersubstrates ist der Wohnsitzstaat daher vorliegend in der Lage, dem Kläger die Vergünstigungen zu gewähren, die sich aus der Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstandes ergeben. Im Streitfall „greift“ daher der Regelfall, dass die Niederlanden zur Berücksichtigung der persönlichen Umstände verpflichtet sind.

3. Bei dem hier begehrten Abzug von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge handelt es sich auch um solche Aufwendungen, die der EuGH – mit wechselnder Terminologie – als „personenbezogen“ bzw. „familienbezogen“ umschreibt und die infolgedessen vom Wohnsitzstaat zu berücksichtigen sind.

a) Allerdings können unter derartigen Aufwendungen im Sinne der EuGH-Rechtsprechung nicht schlechthin sämtliche Aufwendungen der privaten Lebensführung verstanden werden, die im deutschen Einkommensteuerrecht dem Bereich der Sonderausgaben oder dem der außergewöhnlichen Belastungen zugeordnet werden. So hat der EuGH etwa bereits in seinem Urteil „Schilling“ (EuGH-Urteil vom 13. November 2003 Rs. C-209/01, Slg. 2003 I-13389), das den Abzug von Aufwendungen für eine Haushaltshilfe eines in Luxemburg ansässigen Ehepaares deutscher Staatsangehörigkeit betraf, entschieden, dass es der Niederlassungsfreiheit entgegenstehe, wenn § 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG den Abzug dieser Aufwendungen davon abhängig mache, dass Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in der BRD gezahlt würden. Damit stellte der EuGH zugleich klar, dass nicht alle Sonderausgaben per se den vom Wohnsitzstaat zu berücksichtigenden Aufwendungen zugeordnet werden können (so zutreffend der Bundesfinanzhof -BFH- in seinem Vorlagebeschluss vom 26. Mai 2004 I R 113/03, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 206, 347, BStBl II 2004, 994, vgl. auch die Anmerkung von Steinhauff, jurisPR-SteuerR 30/2004 Anm. 3; a.A. noch das FG Hamburg in seinem Urteil vom 11. November 2003 VII 205/00, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2004, 563, das dem nationalen Gesetzgeber insoweit einen Spielraum zugestanden hatte).

Diese Rechtsprechung fand ihre Fortsetzung im Urteil „Conijn“ (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Juli 2006 C-346/04, Slg. 2006, I-06137), in dem der EuGH entschied, dass der Ausschluss des Abzugs von Steuerberatungskosten für beschränkt Steuerpflichtige gegen Artikel 43 EG verstoße. Zur Begründung führte er aus, dass die – im deutschen Einkommensteuerrecht den Sonderausgaben zugeordneten – Steuerberatungskosten in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den in diesem Mitgliedstaat erzielten Einkünften stünden. Diese würden die Einkünfte aller Steuerpflichtigen, ob gebietsansässig oder nicht, in gleicher Weise belasten. Im Hinblick auf die Komplexität des nationalen Steuerrechts, das offenbar den Abzug der Steuerberatungskosten für unbeschränkt Steuerpflichtige rechtfertige, befänden sich Gebietsansässige und Gebietsfremde in einer vergleichbaren Situation. Dagegen sah der EuGH die Steuerberatungskosten, ungeachtet ihrer Verortung bei den Sonderausgaben, ausdrücklich nicht als eine Steuervergünstigung an, die mit den persönlichen Verhältnissen und dem Familienstand des Gebietsfremden zusammenhängt (vgl. insoweit auch die ausführliche Auseinandersetzung mit dieser Frage durch den Generalanwalt Léger im Schlussantrag vom 9.3.2006, Rn. 33 ff.). Damit machte der EuGH erneut deutlich, dass er unabhängig von der systematischen Einordnung der Abzugsvorschrift im nationalen Steuerrecht allein danach differenzieren will, ob und in welcher Weise die fraglichen Aufwendungen mit der persönlichen Lage des Steuerpflichtigen zusammen hängen.

b) Nach Maßgabe dieser Grundsätze handelt es sich aber jedenfalls bei den hier maßgeblichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge um Aufwendungen, die dem Bereich der personen- bzw. familienbezogenen Aufwendungen im Sinne der EuGH-Rechtsprechung zuzuordnen sind. Nach Ansicht des Senats dürfte insoweit im Wesentlichen Deckungsgleichheit mit den Aufwendungen bestehen, die nach deutschem Einkommensteuerrecht dem subjektiven Nettoprinzip unterfallen (vgl. etwa Seer, Internationale Wirtschafts-Briefe -IWB- Nr. 19 vom 8. Oktober 2003, Gruppe 2, 573, 577 ff.). Auch wenn darunter keineswegs sämtliche der unter den Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen geregelten Aufwendungen fallen, betrefft der hier in Frage stehende Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge den Kernbereich des subjektiven Nettoprinzips (eingehend Lang, in Tipke/Lang, Steuerrecht, 19. Aufl., § 9 Rn. 68 ff. und 771). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Beschluss vom 13. Februar 2008 2 BvL 1/06 (Neue juristische Wochenschrift -NJW- 2008, 1868) zutreffend Versicherungsbeiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung als Teil des einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums qualifiziert. In dieser Entscheidung ist das BVerfG explizit der vom XI. BFH-Senat und einem Teil der Literatur vertretenen Auffassung entgegengetreten, dass beim Existenzminimum zwischen dem gegenwärtigen Grundbedarf und der Vorsorge für künftige Zeiten zu unterscheiden sei und es sich bei letzterem um eine Sparleistung handle, die der Steuergesetzgeber nicht als existenznotwendigen Aufwand anerkennen müsse (vgl. etwa BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 41/99, BFHE 200, 529, BStBl II 2003, 179). Nach der zutreffenden Auffassung des BVerfG haben Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge keinen Sparcharakter, so dass gegen die Einbeziehung einer reinen Risikoversicherung mit kalenderjahrmäßig abgrenzbaren Beiträgen in das Existenzminimum keine Bedenken bestehen. Dementsprechend sind die hier fraglichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gemeinschaftsrechtlich nicht anders als etwa der Grundfreibetrag, der ebenfalls den Bereich des Existenzminimums betrifft und der vom EuGH als den „persönlichen“ Lebensbereich betreffend anerkannt ist (vgl. das EuGH-Urteil „Gerritse“ vom 12. Juni 2003 C-234/01, Slg. 2003, I-05933 Rn. 48), zu behandeln.

c) Im Streitfall ist auch keine Differenzierung zwischen den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen, die von der Betriebsrente einbehalten wurden, und denjenigen, die auf die Sozialversicherungsrente entfallen, geboten. Es kommt insoweit nicht darauf an, dass das Besteuerungsrecht für beide Einkünfte auseinander fällt. Maßgeblich ist allein, dass es sich bei diesen insgesamt um personen- und familienbezogene Abzugsbeträge handelt. Denn solche sind bei beschränkt Steuerpflichtigen in Gänze im Ansässigkeitsstaat zu berücksichtigen. Einem proportionalen Abzug im Wohnsitzstaat entsprechend den jeweils im Inland bezogenen Einkünften hat der EuGH in der Entscheidung „de Groot“ ausdrücklich eine Absage erteilt (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Dezember 2002 C-385/00, Slg. 2002 I-11819, Rn. 98).

d) Die hier vertretene Auffassung, dass es sich bei den fraglichen Aufwendungen insgesamt um solche handelt, die gemeinschaftsrechtlich vom Wohnsitzstaat zu berücksichtigen sind, wird – jedenfalls mittelbar – durch die EuGH-Entscheidung „Rüffler“ gestützt (vgl. EuGH-Urteil vom 23. April 2009 C-544/07, derzeit noch nicht veröffentlicht). Darin hatte sich der EuGH erstmals mit der Frage der grenzüberschreitenden steuerlichen Behandlung von Krankenversicherungsbeiträgen zu befassen, wobei der Ausgangsfall von der Grundkonstellation her deutliche Parallelen zu dem hier zu entscheidenden Verfahren aufwies. Ebenso wie der Kläger hatte der in Polen ansässige Steuerpflichtige sowohl eine Rente aus der deutschen Sozialversicherung als auch eine Betriebsrente bezogen. Letztere war in Polen zu versteuern. Die polnische Finanzbehörde lehnte eine Berücksichtigung der hierauf entfallenden Krankenversicherungsbeiträge ab, da nach dem polnischem EStG nur Krankenversicherungsbeiträge berücksichtigt werden konnten, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Polens geleistet wurden. Hierin sah der EuGH eine Verletzung des Grundrechts der Freizügigkeit (Art. 18 EG). Eine solche Regelung nehme eine Ungleichbehandlung gebietsansässiger Steuerpflichtiger vor, je nachdem, ob die Krankenversicherungsbeiträge, die für den Abzug von der in Polen geschuldeten Einkommensteuer in Betracht kommen, im Rahmen der nationalen gesetzlichen Krankenversicherung gezahlt worden seien oder nicht. Was die Besteuerung ihres Einkommens in Polen angehe, befänden sich gebietsansässige Steuerpflichtige, die Beiträge an das polnische Krankenversicherungssystem entrichten würden, und solche, die unter die gesetzliche Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats fallen würden, nicht in objektiv unterschiedlichen Situationen, die diese Ungleichbehandlung nach dem Ort, an dem die Beiträge gezahlt werden, erklären könnten. Die Situation eines steuerpflichtigen Rentners, der in Polen lebe und Rentenleistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung eines anderen Mitgliedstaats beziehe, und diejenige eines polnischen Rentners, der auch in Polen lebe, aber seine Rente im Rahmen der polnischen Krankenversicherung beziehe, seien in Bezug auf die Besteuerungsgrundsätze vergleichbar, da beide in Polen unbeschränkt steuerpflichtig seien. Somit müsse die Besteuerung ihrer Einkünfte in diesem Mitgliedstaat nach denselben Grundsätzen und daher auf der Grundlage derselben Steuervergünstigungen erfolgen. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung sei auch nicht durch die Besonderheiten aufgrund der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gerechtfertigt.

Die Entscheidung „Rüffler“ betrifft im Kern zwar allein die Rechtsfrage, ob der nationale Sonderausgabenabzug davon abhängig gemacht werden kann, dass die Beitragsleistung tatsächlich auch dem nationalen Sozialversicherungssystem zugute gekommen ist. Explizite Ausführungen zur Frage, welcher Mitgliedsstaat richtigerweise zum Abzug der Krankenversicherungsbeiträge verpflichtet gewesen wäre, beinhaltet die Entscheidung nicht. Insoweit findet sich in den Entscheidungsgründen lediglich der Hinweis, dass der EuGH davon ausgehe, dass eine steuerliche Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge in Deutschland nicht erfolgt sei (vgl. Rn. 61). Dennoch legt die Entscheidung nahe, dass der EuGH unausgesprochen davon ausging, dass Polen auch in materiell-rechtlicher Hinsicht zur Berücksichtigung der Krankenversicherungsbeiträge verpflichtet war. Andernfalls (also für den Fall, dass nach Ansicht des EuGH die Pflicht zur Berücksichtigung der BRD oblegen hätte) hätte es – jedenfalls nach Auffassung des Senats – nahegelegen, dass der EuGH zumindest auf der Rechtfertigungsebene die Frage aufgeworfen hätte, ob der Ausschluss des Abzugs der Krankenversicherungsbeiträge in Polen nicht gerechtfertigt gewesen sein könnte. Nämlich dadurch, dass der Kläger mit seinen Einkünften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der BRD beschränkt steuerpflichtig war und daher die Krankenversicherungsbeiträge – jedenfalls hypothetisch – von diesen Einkünften im Rahmen des Sonderausgabenabzugs hätten in Abzug gebracht werden können.

II. Die Klage hat dagegen Erfolg, soweit sich der Kläger gegen die Anwendung eines Mindeststeuersatzes von 25% gem. § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG in der im Streitjahr gültigen Fassung wendet. Beide Beteiligten sind sich darin einig, dass das vom FA im Rahmen seiner – erstmals im Klageverfahren angestellten – Vergleichsrechnung gefundene (günstigere) Ergebnis der Vergleichsrechnung (Nettoeinkünfte zzgl. Grundfreibetrag unter Anwendung der Grundtabelle) in Höhe von 1.713 € zugrunde zu legen ist.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Kosten waren nach dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen verhältnismäßig zu teilen. Die Klage hatte lediglich insoweit Erfolg, als der Kläger eine Minderung der festgesetzten Einkommensteuer in Bezug auf die unzutreffende Berechnung der „Mindeststeuer“ auf 1.713 € erreicht hat. In Bezug auf die von ihm letztlich begehrte Herabsetzung der Steuer auf 688 €, die sich unter Berücksichtigung des Abzugs von Vorsorgeaufwendungen ergeben hätte, ist der Kläger unterlegen. Daraus ergab sich das im Tenor ersichtliche Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen.

IV. Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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