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Holger J. Haberbosch
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Haftung eines Vorstandsmitgliedes eines Sportvereins für Lohnsteuerbeträge

Der als Vorstandsmitglied nach außen in Erscheinung getretene Schatzmeister eines Fußballvereins haftet persönlich für einbehaltene aber nicht abgeführte Lohnsteuer.

FG Münster Urteil vom 23.06.2004, Az: 7 K 5031/00 L

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger zu Recht als ehemaliges Vorstandsmitglied des insolventen Vereins für einbehaltene und nicht abgeführte Lohnsteuer (LSt) in Haftung genommen worden ist.

Der Verein e. V. (Verein) spielte in der Zeit vom 01.07.1996 bis zum 30.06.1999 Fußball in der zweiten Bundesliga, anschließend in der Regionalliga. Für den Spielbetrieb und in der Geschäftsstelle beschäftigte der Verein Arbeitnehmer, von deren Arbeitslohn LSt einzubehalten und abzuführen war.

Der Verein stellte am 26.11.1999 einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am selben Tag wurde Rechtsanwältin A zur vorläufigen Insolvenzverwalterin bestellt. Ein allgemeines Verfügungsverbot wurde nicht erlassen. Verfügungen über das Vereinsvermögen bedurften der Zustimmung der vorläufigen Insolvenzverwalterin. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgericht B (AG) vom 26.11.1999 Az. … IN …/99 Bezug genommen (Blatt 121 Akte 7 K 5035/00). Das Insolvenzverfahren wurde beim Amtsgericht B am 01.01.2000 eröffnet und ist noch nicht abgeschlossen.

Die für den streitigen Zeitraum gültige Satzung wurde in der Mitgliederversammlung des Vereins vom 21.05.1996 beschlossen. Gemäß § 9 Nr. 5 der Satzung bestellt der Aufsichtsrat den Vorstand für zwei Jahre und beruft ihn ab. Nach § 10 ist der ehrenamtlich arbeitende Vorstand gesetzlicher Vertreter im Sinne von § 26 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Der Verein wird durch zwei Vorstandsmitglieder gemeinsam vertreten. Der Vorstand bestand aus dem 1. und 2. Vorsitzenden und einem Schatzmeister. Dem Vorstand waren ausdrücklich die Erfüllung der Pflichten des Vereins hinsichtlich der Buchhaltungs-, Bilanzierungs- und Steuervorschriften übertragen. Weiter sollte der Vorstand die Arbeitgeberpflichten im Sinne der arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen erfüllen. Ferner war bestimmt, dass jedes Vorstandsmitglied sein Amt jederzeit niederlegen kann, sofern dies nicht zur Unzeit geschieht, es sei denn dies geschieht aus wichtigem Grund. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Satzung Bezug genommen.

Die Vorstandsarbeit war entsprechend der Satzung durch eine vom Aufsichtsrat genehmigte Geschäftsordnung vom 10.06.1996 geregelt. Danach wurden Vorstandsbeschlüsse mindestens durch den 1. Vorsitzenden und ein weiteres Vorstandsmitglied gefasst. Der 1. Vorsitzende war nach Nr. 4 der Geschäftsordnung zuständig für das Vertragswesen, den Lizenzspielbetrieb, Marketing, Public Relations, die Geschäftsstelle und die Finanzpolitik.

Dem 2. Vorsitzenden oblag der Sport ohne den Lizenzspielbetrieb, das …-Stadion und der Bereich Technik/Organisation (Nr. 5. Geschäftsordnung).

Nach Nr. 6 der Geschäftsordnung war der Schatzmeister verantwortlich für das gesamte Finanz- und Rechnungswesen des Vereins. Besonders erwähnt sind das Kassenwesen, Buchführung und Bilanzierung, Gehaltsabrechnung und Steuern. Er war auch verantwortlich für die Aufstellung und Durchführung des Haushaltsplanes und für die monatlichen Soll-/Ist-Vergleiche für den Vorstand und hatte dem Aufsichtsrat Quartalsberichte zu liefern. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Geschäftsordnung Bezug genommen.

1. Vorsitzender des Vereins war ab dem 21.05.1996 C, der als Unternehmensberater tätig und zuvor im Management eines größeren Unternehmens beschäftigt gewesen war. Dieser schied mit Beschluss des Aufsichtsrats vom 04.10.1999, der dem beim AG geführten Vereinsregister (Az. VR …, Eintragung am 26.10.1999) mitgeteilt wurde, aus dem Amt aus. Der Beschluss beruhte auf einer Aufsichtsratssitzung am 27.09.1999, die bereits zur Herausgabe einer Presseerklärung des Vereins vom selben Tag geführt hatte. Die entsprechenden Pressemeldungen erfolgten am 30.09.1999. Danach sollte C dem Vorstand noch „zur Abwicklung anhängiger Geschäfte beratend zur Verfügung“ stehen.

Die Wahl von I zum 2. Vorsitzenden am 11.01.1999 wurde am 05.03.1999 ins Vereinsregister eingetragen und bestand zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme fort. I ist als Facharzt für Orthopädie tätig.

Der Kläger wurde im März 1997 zum Schatzmeister gewählt. Eine Wiederwahl im März 1999 ist nach dessen Vortrag nicht erfolgt. Zum Zeitpunkt der Haftungsinanspruchnahme bestand die Eintragung im Vereinsregister fort. Der Kläger war Finanzbeamter im gehobenen Dienst gewesen und 1995/6 aus Krankheitsgründen vorzeitig pensioniert worden.

Nachdem es bereits in der Vergangenheit zu Zahlungsverzögerungen wegen Steuerrückständen gekommen war, beantragte der Verein mit Schreiben vom 29.03.1999, das von Herrn E, dem Buchhaltungsleiter gezeichnet war, unter Bezugnahme auf ein Gespräch zwischen C und dem Vorsteher des Finanzamts F, das bis zum 31.08.2002 für die Besteuerung des Vereins örtlich zuständig war, die Stundung der LSt 1 und 2/99 sowie der Nachzahlung von Umsatzsteuer (USt) 5 – 12/1997. Der Antrag wurde mit Schreiben vom 13.04.1999 abgelehnt. Allerdings wurde Vollstreckungsaufschub bis zum 30.06.1999 gegen Abtretung von Zahlungsansprüchen gegenüber dem Deutschen Fußball Bund (DFB) gewährt. Die Abtretungserklärung wurde am 07.05.1999 vorgelegt.

Am 24.06. und 09. bzw. 14.07.1999 pfändete das FA wegen rückständiger LSt 1 – 2 und 4 – 5/99 sowie USt 12/98, 1 – 2/99 und 5/99 in Höhe von 949.545 DM zuzüglich Säumniszuschläge weitere Forderungen des Vereins gegenüber dem DFB, Sportartikelherstellern und einem Verein, der eine Ablösesumme schuldete. Auf Grund einer Zahlung des DFB am 03.08.1999, die die bisherigen Rückstände abdeckte, wurden die Pfändungsmaßnahmen aufgehoben.

Am 15.09.1999 gab der Verein eine LSt-Anmeldung für August 1999 in Höhe von insgesamt 328.312,51 DM (LSt: 298.285,91 DM) einschließlich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer ab. Die Anmeldung war von K unterschrieben worden. Am 19.10.1999 gab der Verein eine LSt-Anmeldung in Höhe von insgesamt 108.432,20 DM (LSt 97.697,41 DM) für „August/September“ 99 ab, die das FA als Anmeldung der LSt für September 1999 erfasste. Am 23.11.1999 gab der Verein für im September gezahlte Löhne eine LSt-Anmeldung über insgesamt 118.289,60 DM (LSt 106.329,98 DM) ab. Auf die LSt-Anmeldungen wird wegen der Beträge im Einzelnen Bezug genommen (Auszug aus der Arbeitgeberakte LSt-Anmeldungen).

Mit Schreiben vom 17.09.1999 beantragte der Verein durch C die Stundung der im August 1999 durch Zahlung der Spielergehälter für Juni in Höhe von 256.356,00 DM entstandenen LSt. Die Zahlung von 71.956,00 DM LSt für die ebenfalls im August gezahlten Juli-Löhne wurde für sofort angekündigt. Die Begleichung der zu stundenden LSt sollte mit zur Sicherung abzutretenden Forderungen gegen einen anderen Fußballverein erfolgen. Die genannten Beträge stimmen mit dem Lohn-Journal des Vereins für Juni und Juli 1999 überein.

Die Stundung wurde mit Schreiben vom 28.09.1999 unter Bezugnahme auf die frühere Stundungsablehnung vom 13.04.1999 abgelehnt.

Die in den LSt-Anmeldungen ausgewiesenen Abzugsbeträge wurden nicht abgeführt. Mit Verfügung vom 15.10.1999 pfändete das FA fruchtlos die Konten des Vereins.

Nach vorheriger Anhörung erließ das FA LSt-Haftungsbescheide gegenüber dem Kläger, C und I. Laut Bescheid vom 02.03.2000 wurde der Kläger über 293.006,99 DM LSt für 08/99, weitere 97.697,41 DM für 08/99, 106.329,98 DM für 09/99 nebst Solidaritätszuschlag, Kirchensteuer und Säumniszuschlägen in Anspruch genommen. Die Säumniszuschläge in Höhe von 17.854 DM waren bis zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags berechnet worden.

Der vom Kläger eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Das FA führte in der Einspruchsentscheidung vom 01.08.2000 (EE) aus; es sei bereits grob fahrlässig, dass sich der Kläger auf den 1. Vorsitzenden verlassen habe. Dabei sei von dem zivilrechtlichen Fahrlässigkeitsbegriff auszugehen. Würden die Aufgaben eines gesetzlichen Vertreters übernommen, könne man sich bei einer Verletzung der dadurch entstehenden steuerlichen Pflichten nicht auf individuelle Unkenntnis berufen. Nach der Zivilrechtsprechung liege grobe Fahrlässigkeit insbesondere dann vor, wenn schon einfachste, ganz nah liegende Überlegungen nicht angestellt würden, wenn also nicht beachtet werde, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Der Kläger habe die ihm als Schatzmeister obliegende Verpflichtung zur Erfüllung der steuerlichen Verpflichtungen des Vereins, über deren Bestehen und Umfang er auf Grund seiner früheren beruflichen Tätigkeit im Finanzamt nicht in Zweifel habe gewesen sein können, grob fahrlässig nicht erfüllt. Eine eventuelle Aufgabenverlagerung auf den 1. Vorsitzenden sei nicht ordnungsgemäß dokumentiert worden. Der Kläger könne sich deshalb nicht darauf berufen. Nicht entschuldigen könnten ihn auch die durch Attest geltend gemachten gesundheitlichen Probleme. Bei Bestehen solcher Probleme hätte ihm klar sein müssen, dass er das ihm angetragene Amt des Schatzmeisters nicht hätte annehmen dürfen.

Mit der dagegen erhobenen Klage trägt der Kläger vor, C sei bis zum 04.10.1999 1. Vorsitzender gewesen. Er habe seine Vorstandskollegen und den Aufsichtsrat über die finanzielle Lage permanent getäuscht. Die wahre finanzielle Lage habe sich erst herausgestellt, nachdem der neue 1. Vorsitzende ab 04.10.1999 tätig geworden sei. Die Falschinformationen seien durch die politischen Ambitionen von C motiviert gewesen, der bei den Kommunalwahlen am 13.09.1999 für die Bürgermeisterwahl in Gütersloh kandidiert habe. Das Tätigwerden von C sei deshalb in der lokalen Presse kritisch verfolgt worden. Aus diesem Grund sei die Auszahlung der ungekürzten Nettolöhne an die Spieler erfolgt, wobei C sogar eigene Mittel in Höhe von ca. 103.000 DM eingesetzt habe. Der Negativ-Berichterstattung in der Presse über ausstehende Spielergehälter für Juni 1999 und Pfändungsmaßnahmen des FA sei C dadurch begegnet, dass er auf ausstehende Zahlungen seitens des DFB verwiesen habe. Die eigene Verantwortlichkeit für die Finanzen und Buchhaltung ergebe sich aus einem Schreiben von C an das neue Aufsichtsratsmitglied G vom 20.04.1998, wo weder der Schatzmeister noch der 2. Vorsitzende erwähnt werde.

C habe auch allein über die Konten des Vereins verfügt. Die Lohnzahlungen aus eigenen Mitteln durch C hätten überhaupt nicht verhindert werden können. Weitere Mittel seien nicht vorhanden gewesen. Am Tage seiner Abberufung habe C bereits die Überweisungsträger für die am 10.10.1999 fällig werdende LSt für September 1999 vorbereitet gehabt. Diese Überweisung sei dann von der Sparkasse nicht mehr ausgeführt worden.

Soweit der BFH in seiner Entscheidung vom 23.6.1998 VII R 4/98, BStBl. II 1998, 761 die Haftung von ehrenamtlich tätigen Vorstandsmitgliedern von Vereinen derjenigen von entgeltlich tätigen Geschäftsführern von GmbHs gleichgestellt habe, könne dem nicht gefolgt werden. Es handele sich um eine verfassungsrechtlich bedenkliche Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte.

Schließlich fehle es auch an einer dem Kläger zuzurechnenden groben Fahrlässigkeit. Er sei aus dem Dienst als Finanzbeamter ausgeschieden, da er objektiv nicht in der Lage gewesen sei, die ihm damals zugewiesenen einfachen Tätigkeiten zu erledigen. C habe sich offensichtlich den Kläger ausgesucht, weil von diesem im Gegensatz zu dessen Amtsvorgänger keinerlei Kritik zu erwarten war. Durch eine Amtsniederlegung hätte er, der Kläger, den Schaden nicht verhindern können. Außerdem sei seine Amtszeit bereits im Frühjahr 1999 abgelaufen gewesen.

Auch der Haftungsbetrag sei nicht zutreffend ermittelt worden. Er habe keine Nettolöhne kürzen können, da er von Zahlungen an Dritte nichts gewusst habe und diese deshalb auch nicht für die Begleichung der LSt-Rückstände habe einsetzen können.

Eine Inanspruchnahme scheide auch deshalb aus, weil das FA bereits am 10.09.1999 von der seit dem 30.06.1999 vorliegenden Zahlungsunfähigkeit des Vereins Kenntnis gehabt habe. Somit hätte bei erfolgter Abführung der LSt diese Zahlung durch die Insolvenzverwalterin gemäß §§ 130 ff. der Insolvenzordnung (InsO) mit Erfolg angefochten werden können. Da das FA das Empfangene hätte herausgeben müssen, sei durch die Nichtabführung der LSt kein Schaden entstanden. Die Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 Abs. 2 InsO zum 30.06.1999 ergebe sich daraus, dass die Kreditlinien ausgeschöpft und die vorhandenen Werte oder Forderungen nicht kurzfristig zu realisieren gewesen seien. Die Zahlungsunfähigkeit ergebe sich bereits aus den Pfändungsmaßnahmen des FA im Juli, die ins Leere gegangen seien. Außerdem ergebe sich dies aus dem Schreiben des 1. Vorsitzenden vom 17.09.1999, wonach dieser erklärt habe, die fällige LSt nicht zahlen zu können. Zur Anwendung von § 130 InsO und zum Begriff der Zahlungsunfähigkeit werde auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH verwiesen. Spätestens zum Zeitpunkt der eigenen fruchtlosen Pfändungen am 15.10.1999 habe das FA von der Zahlungsunfähigkeit des Vereins gewusst. Die letzte nennenswerte Zahlung des Vereins sei am 05.10.1999 mit der Auszahlung der Nettolöhne für September 1999 durch C in Höhe von 200.590,73 DM veranlasst worden, wenn diese Überweisung auch vom Kläger unterschrieben worden sei, dann nur deshalb, weil C über Überweisungsvordrucke verfügt habe, die vom Kläger blanko unterschrieben gewesen seien.

Das FA habe auch sein Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt, indem es C ungeachtet seines Schaden auslösenden Verhaltens nicht für die LSt ab September 1999 in Anspruch nehme. Statt die Löhne im August auszuzahlen, hätte C zunächst die bereits rückständige LSt tilgen müssen.

Der Kläger beantragt,

den Haftungsbescheid vom 02.03.2000 in Gestalt der EE vom 01.08.2000 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es trägt vertiefend und ergänzend zur EE vor, es sei nicht glaubhaft, dass der Kläger erst durch den neuen Vorsitzenden J von der tatsächlichen finanziellen Situation des Vereins erfahren habe, da in der Presse laufend über die schlechte finanzielle Situation berichtet worden sei. Selbst wenn man davon ausgehe, dass C tatsächlich den übrigen Vorstand nicht unterrichtet habe, hätte auf Grund der Berichterstattung Veranlassung bestanden, von sich aus die Angaben des 1. Vorsitzenden zu prüfen.

Das FA habe weder am 10.09.1999 noch am 10.10.1999 Kenntnis von einer Zahlungsunfähigkeit des Vereins gehabt noch von einer Tatsache im Sinne von § 130 Abs. 2 InsO. Es sei im Übrigen nicht nachvollziehbar, dass zwar das FA bereits zum 30.06.1999 Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gehabt haben soll, nicht jedoch der Kläger und I als Vorstandsmitglieder. Gerade aus der Stundungsakte und dem Schreiben vom 17.09.1999 ergebe sich, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Zahlungseinstellung vorgelegen habe. Tatsächlich seien auch noch erhebliche Zahlungen erfolgt. Deshalb habe die Insolvenzverwalterin auch keine Anfechtung gegenüber den Spielern, die noch im Oktober 1999 Gehälter erhalten hätten, geltend gemacht. Gegenüber dem FA sei ebenfalls keine Anfechtung erfolgt, obwohl noch Zahlungen auf USt geleistet worden seien. Gegenüber der Stadt H habe die Insolvenzverwalterin allerdings wegen der Verschaffung einer Sicherheit eine auf § 131 InsO gestützte Anfechtungsklage erhoben.

Die Lohnzahlung in Höhe vom 200.590,73 DM am 05.10.1999 habe der Kläger selbst angewiesen. Die damit in Zusammenhang stehende Haftungsschuld in Höhe von insgesamt 108.432 DM sei erst am 10.11.99 anzumelden gewesen und deshalb die Nichtzahlung K nicht zuzurechnen. Das Konto … bei der Sparkasse H habe nach Abzug der Lohnzahlung noch ein Guthaben in Höhe von 99.612,89 DM ausgewiesen.

Hinsichtlich des Auswahlermessens habe es keine rechtliche Möglichkeit gegeben, C für LSt auf die im September gezahlten Löhne in Anspruch zu nehmen, da dieser zum Zeitpunkt der Fälligkeit am 10.10.1999 nicht mehr im Amt gewesen sei. Im Laufe des Klageverfahrens habe sich herausgestellt, dass ein Teilbetrag der LSt nicht der Lohnzahlung im August, sondern im September zuzuordnen sei. Der Haftungsbescheid habe daher entsprechend geändert werden müssen. Der Haftungstatbestand in Bezug auf C liege für die LSt 09/1999 nicht vor, deshalb könne das FA insoweit auch keinen Ermessensfehler begangen haben.

Es liege auch kein Ermessensfehler vor, weil das FA den ab dem 04.10.1999 tätigen 1. Vorsitzenden nicht in Anspruch genommen habe oder keine entsprechenden Erwägungen angestellt habe, da dieser mit der Zahlung der Löhne im Sept. 1999 nichts zu tun gehabt habe.

Dem Senat haben jeweils 1 Band Stundungs-, Vollstreckungs- und LSt-Akten des Vereins, 1 Hefter Jahreskonten 2. Halbjahr 1999 und 1 Hefter mit Presseberichten vorgelegen.

Der Senat hat am 23.06.2004 mündlich verhandelt und zuvor die Verfahren 7 K 4175/00 (C), 7 K 5031/00 (D) und 7 K 5035/00 (I) zu gemeinsamer Verhandlung verbunden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll vom selben Tage Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet, soweit der vom FA gegenüber dem Kläger erlassene Haftungsbescheid die Inanspruchnahme für LSt des Vereins auch für die für September 1999 abzuführende LSt umfasst. Für diesen LSt-Anmeldungszeitraum fehlen Ermessenserwägungen hinsichtlich der Inanspruchnahme des ab dem 04.10.1999 amtierenden neuen 1. Vorsitzenden. Der Haftungsbescheid ist rechtmäßig, soweit dieser 293.006,99 DM LSt, 15.859,13 DM Solidaritätszuschlag, 4332,97 DM ev. Kirchensteuer und 9834,50 DM r.-k. Kirchensteuer umfasst.

A. LSt August 1999

I. Der Haftungstatbestand gemäß §§ 69, 34 Abs. 1, 191 Abs. 1 Satz 1 AO ist gegeben.

Gemäß § 69 AO kann durch Haftungsbescheid i. S. v. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO in Anspruch genommen werden, wer durch grob fahrlässige Verletzung der ihm als gesetzlichem Vertreter einer juristischen Person auferlegten Pflicht, für die Erfüllung von deren steuerlichen Pflichten zu sorgen, bewirkt, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt werden. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 AO haben gesetzliche Vertreter von juristischen Personen, zu denen der Verein als eingetragener Verein gehörte, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten. Gesetzlicher Vertreter des Vereins ist gemäß § 26 Abs. 2 BGB grundsätzlich der gesamte Vorstand.

II. Gemäß § 38 Abs. 2 und 3 i. V. m. § 41a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG ist die LSt bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und spätestens am 10. Tag nach Ablauf eines jeden LSt-Anmeldungszeitraumes (Kalendermonat) anzumelden und abzuführen.

Bei der Höhe der LSt ist von der LSt-Anmeldung durch den Verein, die auf den Lohnkonten für Juni und Juli 1999 beruht, auszugehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht nur die Lohnzahlungen durch Sammelüberweisungen, sondern noch zusätzliche Lohnzahlungen durch Einzelüberweisungen, von Aushilfsarbeitsverhältnissen und LSt für Sachbezüge zu erfassen sind. Unstreitig ist deshalb inzwischen für August 1999, dass eine LSt in Höhe von 298.285,91 DM anzumelden war. Dieser Betrag war zum Zeitpunkt des Erlasses der Einspruchsentscheidung noch in Höhe von 293.006,99 DM offen. Eine weiter gehende Tilgung durch Umbuchung hat nicht stattgefunden.

Die unter der Bezeichnung „August 1999/Sept. 99“ abgegebene LSt-Anmeldung über 97.697,41 DM LSt (insgesamt 108.432,20 DM) beruht auf Lohnzahlungen zu Beginn des Monats September, zu der die Sammelüberweisung in Höhe von 185.897 DM vom 03.09.1999 gehört. Diese Steuer war erst zum 10.10.1999 anzumelden. Auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig. Die pflichtwidrig nicht abgeführte LSt 08/99 beläuft sich deshalb auf 293.006,99 DM zuzüglich Solidaritätszuschlag in Höhe von 15.859,13 DM, ev. Kirchensteuer von 4.332,97 und r.-k. Kirchensteuer in Höhe von 9.834,50 DM.

III. Der Kläger hat die ihm obliegenden Pflichten verletzt.

1. Der Kläger war seit März 1997 als Schatzmeister Vorstandsmitglied und damit gesetzlicher Vertreter des Vereins i. S. v. § 26 BGB; er hatte gemäß § 34 AO für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten zu sorgen. Seine Verantwortung endete nicht durch Zeitablauf nach Ende der vorgesehenen Wahlperiode von zwei Jahren im März 1999. Der Kläger hat das Amt, so wie er es verstand, zumindest für den hier zu beurteilenden Zeitraum weiter tatsächlich ausgeübt, indem er an Vorstandssitzungen teilgenommen und den Verein auch nach außen vertreten hat. So hat er noch die LSt-Anmeldung 09/99 am 23.11.1999 unterschrieben, ebenso den Überweisungsauftrag für die Löhne am 04.10.1999 über mehr als 200.000 DM, also Pflichten des Vereins steuerlicher Art und als Arbeitgeber erfüllt. Entsprechend verfügte er über die Vollmacht über zumindest ein Konto. Maßgeblich für die Haftung als gesetzlicher Vertreter ist nicht die formell ordnungsgemäße Bestellung, die Wiederwahl oder nur die (bestehende) Eintragung im Vereinsregister, sondern ob der Haftungsschuldner als gesetzlicher Vertreter in Erscheinung getreten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 19.11.2002 VII B 191/01, BFH/NV 2003, 442).

2. Der Kläger kann sich als Schatzmeister, der nach der Geschäftsordnung des Vorstands (Nr. 6) für das gesamte Finanz- und Rechnungswesen, insbesondere auch die Gehaltsabrechnung und Steuern zuständig war, nicht darauf berufen, er sei ursprünglich nur deshalb zum Schatzmeister bestellt worden, weil die Unterschrift eines weiteren Vorstandsmitglieds benötigt worden sei. Der 1. Vorsitzende habe ihm erklärt, er brauche keine Pflichten zu erfüllen. Durch diese Erklärung, die der 1. Vorsitzende nicht bestätigt hat, wird der Kläger nicht von der übernommenen Pflicht entlastet. Die darin liegende behauptete Vereinbarung eines „Strohmannverhältnisses“ ändert nichts an der eigenen Verantwortlichkeit (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH-Urteile vom 02.07.1987 VII R 104/84, BFH/NV 1988, 6 und vom 11.03.2004 VII R 52/02, Deutsche Steuerzeitung – DStZ – 2004, 415).

3. Der Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Abführung der von den ausgezahlten Löhnen und Gehältern einbehaltenen LSt kann sich der gesetzliche Vertreter grundsätzlich nicht mit dem Hinweis auf fehlende Mittel entziehen. Falls die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung sämtlicher Löhne einschließlich des Steueranteils nicht ausreichen, dürfen die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder als Teilbetrag ausgezahlt werden, so dass Mittel übrig bleiben, um die entsprechende LSt an das FA abführen zu können (ständige Rechtsprechung, z. B. BFH in BStBl. II 1998, 761).

Der Kläger kann sich hinsichtlich der Höhe des Haftungsbetrages nicht darauf berufen, dass eine Pflichtverletzung nur hinsichtlich des Teils der LSt vorliegt, der auf den ungekürzt ausgezahlten Teil der Löhne entfällt. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass zunächst bei der Lohnzahlung die liquiden Mittel nicht ausgereicht haben, die Gehälter einschließlich der einbehaltenen LSt zu begleichen, waren nach Lage der Akten später noch genügend Mittel auf den Konten des Vereins verfügbar, um die demnächst anfallende oder rückständige LSt für August 1999 abzuführen. So hat der Verein mit der Wertstellung 03.09.1999 beispielsweise 185.897 DM Löhne vom Konto Nr. … bei der Sparkasse H überwiesen. Nach laufenden Zahlungen über einen weiteren Monat war am 04.10.1999 auf diesem Konto noch ein Guthaben in Höhe von 185.570 DM vorhanden und mit Wertstellung vom 05.10.1999 wurden allein durch den vom Kläger unterschriebenen Sammelauftrag 200.569,73 DM Löhne überwiesen. Das Konto wies trotzdem nach Eingang von Fernsehgeldern in Höhe von 87.894,73 DM danach noch ein Guthaben von 99.612,89 DM auf. Der Senat kann deshalb nicht davon ausgehen, dass im Verein generell keine Mittel mehr vorhanden waren; es ist vielmehr festzustellen, dass die Geldmittel – pflichtwidrig – z. B. für laufende Kosten und Gehaltszahlungen verwendet worden sind.

Die ihm ausdrücklich zur Erfüllung übertragene Pflicht des Vereins als Arbeitgeber, für die Abführung der LSt 08/99 zu sorgen, hat der Kläger verletzt, denn die LSt ist wegen der nachfolgenden Insolvenz des Vereins nicht abgeführt worden.

IV. Eine Aufgliederung der Haftungsbeträge ist für die Haftung nach § 69 AO nicht erforderlich, da im Streitfall eine Inanspruchnahme der Arbeitnehmer gemäß § 42 d Abs. 3 EStG wegen der erfolgten Einbehaltung und Anmeldung der LSt ausgeschlossen ist. So wird eine Aufgliederung des Haftungsbetrages auf einzelne Arbeitnehmer nur deshalb verlangt, weil bei der Haftung nach § 42 d EStG ein Rückgriff auf die Arbeitnehmer als Steuerschuldner in Betracht kommt (vgl. Schmidt/Drenseck, EStG, 23. Aufl. 2004, § 42 d Rz. 46 f).

Ohne Bedeutung ist, ob die Arbeitnehmer den Lohn ordnungsgemäß versteuert haben, denn der Schaden des FA besteht darin, dass der Verein als Arbeitgeber die vorgenommene Einbehaltung der LSt pflichtgemäß bescheinigen musste, und die Arbeitnehmer einen Anspruch auf Anrechnung der nicht abgeführten LSt erlangt haben.

V. Die Pflichtverletzung ist auch kausal für die Nichtentrichtung der Steuern.

1. Die Anfechtbarkeit nach § 129 ff InsO würde zwar die Pflichtverletzung nicht entfallen lassen; wegen der mit einer Anfechtung verbundenen Verpflichtung zur Rückzahlung des Empfangenen, würde die Pflichtverletzung aber nicht für die Nichtentrichtung der Steuern ursächlich sein, so dass der Haftungstatbestand entfallen würde (vgl. BGH-Urteil vom 11.12.2001 VI ZR 123/00, Betriebs-Berater – BB – 2002, 322).

Die Anfechtbarkeit hinsichtlich der Haftung für die LSt 08/99 kann nicht auf § 131 InsO gestützt werden, denn sämtliche Alternativen der Vorschrift setzen voraus, dass die anfechtbare Handlung im letzten Monat (Nr. 1) oder innerhalb des zweiten und dritten Monats (Nr. 2 und 3) vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommenen wird. Dies bedeutet für den am 26.11.1999 gestellten Insolvenzantrag, dass nur seit dem 26.09.1999 vorgenommene Handlungen in Betracht kommen. Bei gehöriger Pflichterfüllung zum Fälligkeitstermin am 10.09.1999 hätte daher keine Anfechtung gemäß § 131 InsO stattfinden können. Auch eine Anfechtung nach § 132 InsO kommt im Streitfall nicht in Betracht, denn kennzeichnend für diese Vorschrift ist, dass Schuldner und Gläubiger erst durch das anfechtbare Rechtsgeschäft in Rechtsbeziehungen zueinander treten (vgl. Uhlenbruck § 132 Rz 1), die unmittelbar die Insolvenzgläubiger benachteiligen. Die Erfüllung von steuerlichen Pflichten gehört grundsätzlich nicht dazu. Ebenso vermag der Senat keine mögliche Anfechtbarkeit wegen vorsätzlicher Benachteiligung gemäß § 133 InsO bei Erfüllung steuerlicher Pflichten zu erkennen.

2. Die Kausalität entfällt daher nur, wenn die Abführung der LSt am 10.09.1999 gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 2 InsO anfechtbar war. Nach dieser Vorschrift ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder Kenntnis von Umständen hatte, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (Abs. 2). Der Zeitpunkt der Fälligkeit der LSt 08/99 am 10.09.1999 fällt in den Zeitraum von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

a) Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Nach Satz 2 ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Noch keine Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne liegt vor, wenn die Illiquidität nur vorübergehend ist, sich also nur über einen kurzen Zeitraum erstreckt und deshalb als bloße Zahlungsstockung zu bezeichnen ist. Die Abgrenzung ist nach den Umständen des Einzelfalles vorzunehmen; in der Regel beträgt die zeitraumbezogene Illiquidität allenfalls zwei bis drei Wochen (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, Kommentar 12. Aufl. 2003, § 17 Rz 9). Bei dieser engen Auslegung des Begriffs der Zahlungsunfähigkeit ist es nicht vollkommen ausgeschlossen, dass diese Voraussetzung der Anfechtbarkeit gemäß § 130 InsO schon am 10.09.1999 gegeben war, da der Verein nicht nur Verbindlichkeiten gegenüber dem FA hatte, sondern auch einer erheblichen, zumindest teilweise streitigen oder mit Gegenansprüchen behafteten Forderung seitens des früheren Managers K ausgesetzt war und noch weitere Verbindlichkeiten bestanden. Erhebliche Gründe sprechen aber gegen eine Zahlungsunfähigkeit schon am 10.09.1999. Streitige Verbindlichkeiten sind im Rahmen der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen, wenn nicht nur eine hohe Wahrscheinlichkeit des Bestehens vorhanden ist, sondern zugleich auch die Wahrscheinlichkeit der sofortigen Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit hinzukommt (vgl. Uhlenbruck, § 17 Rz 8). Dies spricht gegen die Berücksichtigung eines Großteils der Forderung des Herrn K. Außerdem verfügte der Verein über Forderungen und Vermögenswerte in Form von Transferrechten in erheblicher Höhe, die für die Fähigkeit des Vereins sprechen, die am 10.09.1999 fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Bei dieser Sachlage lässt es der Senat offen, ob tatsächlich eine Zahlungsunfähigkeit im Sinne von § 17 InsO vorlag.

b) Der Senat geht aber davon aus, dass das FA zumindest keine Kenntnis von einer eventuellen Zahlungsunfähigkeit hatte sowie keine Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.

Aus der Tatsache, dass das FA bereits im April die Stundung von LSt und USt abgelehnt und Vollstreckungsschutz bis zum 30.06.1999 gewährt und nach Ablauf der Frist Vollstreckungsmaßnahmen ergriffen hatte, kann keine Kenntnis des FA von einer eventuellen Zahlungsfähigkeit abgeleitet werden. Die Stundungsablehnung bezog sich jeweils darauf, dass das FA grundsätzlich nicht bereit war, dem Verein treuhänderisch vereinnahmte Steuern zu stunden. Aus der beigezogenen Stundungsakte ergibt sich, dass das FA vom Verein in positiver Hinsicht über die wirtschaftliche Lage für die Zeit bis 1998 informiert worden war. Nach einer tatsächlichen Verständigung vom 27.03.1997 hatte der Verein für die Jahre 1992 bis Juni 1996 Arbeitslöhne in Höhe von 1,350 Mio. DM in Höhe von 494.531 DM nachzuversteuern. Daraus resultierten mittelbar oder unmittelbar Stundungen gegen Sicherheitsleistungen in Form der Abtretung von Ansprüchen gegen den DFB in Höhe von 4,125 Mio. DM für ca. 185.000 DM Rückstände, die bis Nov. 1998 getilgt waren. In diesem Zusammenhang, wurde dem FA ein Bericht vom 15.03.1997 über die Erstellung eines Überschuldungsstatus zum 31.12.1996 vorgelegt, wonach sich keine Überschuldung ergab, und Rangrücktrittserklärungen, u. a. auch des Herrn K in Höhe von insgesamt 1,456 Mio DM vorlagen. Danach war die wirtschaftliche Lage angespannt, der Bestand des Vereins war aber nicht gefährdet. Aus der Presseberichterstattung im Juli 1999, die dem FA ausweislich der vorgelegten Vollstreckungsakten bekannt war, ergab sich, dass der Verein gegenüber dem DFB und aus anteiligen Entgelten für die Übertragung von Fußballspielen im Fernsehen ca. 1,75 Mio DM Forderungen hatte. Ferner war dem FA bekannt, dass Ansprüche aus Spielertransfers bestanden. Da zu der Zeit Anfang bis Mitte Juli 1999 die Forderungen des FA einschließlich der Säumniszuschläge (nur) ca. 950.000 DM betrugen, musste es nicht annehmen, dass der Verein generell kreditunwürdig war oder sonst seine fälligen Verbindlichkeiten nicht erfüllen konnte. Die Tatsache, dass das FA seine Forderungen ohne besondere Schwierigkeiten gegenüber dem DFB und einem anderen Fußballverein schnell durchsetzen konnte, – die Zahlung des DFB erfolgte am 03.08.1999 – spricht dafür, dass der Verein tatsächlich über werthaltige Forderungen verfügte, sodass das FA zu diesem Zeitpunkt davon ausgehen konnte, dass der Verein kreditwürdig war und deshalb keine Zahlungsunfähigkeit vorlag.

c) Die bloße Durchführung von Pfändungsmaßnahmen allein stellt keinen Umstand dar, aus dem zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden kann (§ 130 Abs. 2 InsO). Dies gilt auch, soweit die Presseberichterstattung die Nichtzahlung der Spielergehälter im Juni und Juli zum Gegenstand hatte, denn insoweit konnte ebenfalls angenommen werden, dass eine Befriedigung aus den Forderungen des Vereins in Höhe von 1,75 Mio DM erfolgen würde und die Spieler als Arbeitnehmer den Zahlungseingang abwarteten. Der Jahresabschluss zum 30.06.1999, der erst am 05.02.2000 der Insolvenzverwalterin vorgelegt worden ist, kann dem FA nicht entgegengehalten werden, da dieser am 10.09.1999 noch nicht existierte.

Aus dem vom FA vorgelegten Hefter „Jahreskonten zweites Halbjahr 1999“ kann auch nicht entnommen werden, dass der Verein in der Zeit bis zum 10.09.1999 seine Zahlungen eingestellt hatte. Tatsächlich hat der Verein auch noch lange darüber hinaus täglich Zahlungen geleistet und Einnahmen in erheblichem Umfang erzielt. Das FA hätte daher zu diesem Zeitpunkt die Abführung der einbehaltenen LSt an sich fordern dürfen, ohne dass dieser Vorgang hätte angefochten werden können. Dem steht auch der Bericht des RA L von Anfang 1999 nicht entgegen, der Probleme und eine Liquiditätslücke vorausgesagt hatte, denn der 1. Vorsitzende war dem mit ausführlicher Begründung entgegengetreten. Bei dieser Sachlage musste das FA nicht davon ausgehen, dass die Einschätzung des 1. Vorsitzenden unzutreffend war.

3. Zutreffend verweist das FA auf die Unschlüssigkeit der Argumentation, dass zwar der Schatzmeister und der 2. Vorsitzende, die regelmäßig an Vorstandssitzungen teilgenommen haben und ebenso wie das FA über die entsprechenden Presseinformationen verfügten, nichts von einer Krisensituation gewusst haben wollen, dem FA aber die Zahlungsunfähigkeit bekannt gewesen sein soll.

VI. Der Kläger hat zumindest grob fahrlässig gehandelt, als er es zuließ bzw. selbst daran mitwirkte, dass die zur Verfügung stehenden Mittel anderweitig verwendet wurden bzw. nicht dafür sorgte, dass Mittel zur Abführung der einbehaltenen LSt zurückgelegt wurden. Dem steht die Krankheit des Klägers nicht entgegen.

Grob fahrlässig im Sinne des § 69 AO handelt, wer die Sorgfalt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtetet und im Stande ist, in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht lässt (vgl. BFH-Urteil vom 21.02.1989 VII R 165/85, BStBl. II 1989, 491). Der Kläger litt ausweislich des von ihm vorgelegten Attests vom 02.03.1995 an einer seelischen Störung von Krankheitswert, u. a. wurden ihm Vergesslichkeit, Schlafstörungen und depressive Verstimmung sowie erhebliche Probleme, seine Arbeit aufzunehmen, attestiert. Weiter wurden erwähnt Defizite im Bereich expressiver und selbstbehauptender Verhaltensweisen, ein Fehlen von Bewältigungsstrategien und eine ausgeprägte Selbstwertproblematik. Nach der Überzeugung des Senats beeinträchtigte diese Erkrankung sicherlich die ordnungsgemäße Wahrnehmung der ihm übertragenen Aufgaben, stellt aber offensichtlich keine so schwerwiegende Beeinträchtigung dar, dass eine Geschäftsunfähigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB angenommen werden kann. Dies hat der Kläger auch selbst nicht behauptet. Selbst wenn er nicht in der Lage war, wovon der Senat überzeugt ist, die Aufgaben eines Beamten des gehobenen Dienstes der Finanzverwaltung wahrzunehmen, war ihm daher doch bekannt, welche steuerliche Pflichten ein Arbeitgeber zu erfüllen hat. Da dem Kläger somit die übernommenen Pflichten bekannt waren und er um seine Krankheit wusste, ist bereits die Übernahme des Amtes als Schatzmeister grob fahrlässig, da diese Krankheit zumindest mitursächlich für die Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten war. Ein dem Haftungsschuldner bekanntes Unvermögen, die ihm übertragenen Pflichten zu erfüllen, lässt die Haftung dafür nicht entfallen (vgl. BFH-Beschluss vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325 – Haftung einer Schwangeren -). Dass der Kläger seine Pflichten genau kannte und teilweise auch erfüllte, ergibt sich auch daraus, dass er selbst zumindest eine LSt-Anmeldung unterschrieben hat. Dem Kläger waren aus der Presseberichterstattung auch die Liquiditätsschwierigkeiten des Vereins bekannt, selbst wenn er sich sonst nicht näher um die Finanzen des Vereins gekümmert hat. Aus der Berichterstattung in der Presse wurde dem Kläger auch in Erinnerung gerufen, dass die Pflicht bestand, für die Abführung der einbehaltenen LSt zu sorgen, als das FA im Juli 1999 deshalb Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Verein ergriffen hatte. Der Kläger ließ ferner seine Sorgfaltspflicht in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht, indem er sich darauf verließ, der 1. Vorsitzende würde sich um die finanziellen Angelegenheiten in ausreichendem Maß kümmern (vgl. BFH in BFH/NV 2001, 413). Die besonders grobe Pflichtverletzung bei der Amtsführung des Klägers findet ihren Ausdruck darin, dass er als Schatzmeister blanko unterschriebene Überweisungsaufträge in der Geschäftsstelle hinterlassen hat, wie er vorträgt. Der Kläger kann sich daher nicht darauf berufen, er habe sich nur pro forma zum Schatzmeister ernennen lassen, der 1. Vorsitzende habe ihm erklärt, er, der Kläger, müsse sich um nichts kümmern. Damit ist zumindest eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des Klägers zu bejahen.

VII. Die Ermessensentscheidung des FA, einen Haftungsbescheid zu erlassen und den Kläger neben dem 1. und 2. Vorsitzenden durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, ist nicht gemäß § 102 Satz 1 FGO wegen fehlerhafter Ermessensausübung oder unzureichender Darlegung der Ermessenserwägungen zu beanstanden. Das FA hat zu Recht auf die vom Kläger übernommenen Verpflichtungen und damit seine Verantwortlichkeit als gesetzlicher Vertreter abgestellt. Er kann sich in diesem Zusammenhang auch nicht darauf berufen, vom 1. Vorsitzenden getäuscht worden zu sein. Es mag zwar zutreffen, dass dieser mit Rücksicht auf seine Kandidatur für das Amt des Bürgermeisters der Stadt H bemüht war, seine Amtsführung als Vereinsvorsitzender in der Öffentlichkeit möglichst positiv darzustellen, dies ist ihm ausweislich der vorliegenden Presseberichterstattung aber nur sehr unvollkommen gelungen, da über die finanziellen Engpässe und deren Folgen ausführlich berichtet worden ist. So fällt auch nicht ins Gewicht, dass der 1. Vorsitzende vorübergehend ausstehende Gehälter verauslagt hat. Dass die übrigen Vorstandsmitglieder, die ebenfalls vom FA in Anspruch genommen worden sind, den Kläger in seinem Amt als Schatzmeister nicht ernst genommen haben, kann deren Haftung begründen, rechtfertigt es aber nicht, bei der Auswahl der in Betracht kommenden Haftungsschuldner den Kläger den andern Vorstandsmitgliedern gegenüber zu begünstigen.

B. LSt 09/99

Ebenso wie für die LSt 08/99 liegt der Haftungstatbestand für den LSt-Anmeldungszeitraumes September 1999 grundsätzlich vor. Da bereits die LSt für den Vormonat nicht abgeführt worden war, hätte keine erneute Lohnzahlung im September stattfinden dürfen. Dennoch ist der Haftungsbescheid rechtswidrig. Das FA hätte insoweit die mögliche Inanspruchnahme des Nachfolge-1. Vorsitzenden J in seine Überlegungen zu der Frage, wer von mehreren Vorstandsmitgliedern in Haftung genommen werden soll (Auswahlermessen) mit einbeziehen müssen. Hierzu finden sich Ausführungen weder im Haftungsbescheid noch in der Einspruchsentscheidung, in der die Ermessenserwägungen spätestens hätten angestellt werden müssen. Wegen der sich nur auf die Überprüfung behördlicher Ermessensentscheidungen erstreckenden Befugnis, die dem Gericht keinen Raum für eigene Ermessenserwägungen lassen (§ 102 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO -), muss die Behörde u. a. zum Ausdruck bringen, warum sie den Haftungsschuldner an Stelle anderer ebenfalls für die Haftung in Betracht kommender Personen in Anspruch nimmt (vgl. BFH-Urteile in DStZ 2004, 415, vom 07.04.1992 VII R 104/90, BFH/NV 1993, 213 und vom 17.01.1989 VII R 88/86, BFH/NV 1990, 71 sowie Klein/Rüsken, AO, § 191 Rz. 61 m. w. N). Das FA hätte bei sachgerechter Ausübung des Auswahlermessens dazu Stellung nehmen müssen, weshalb der Kläger und der 2. Vorsitzende in Anspruch genommen werden, nicht jedoch der ab dem 04.10.1999 amtierende neue 1. Vorsitzende. Letzterer hätte in die Ermessenserwägungen bei Auswahl der möglichen Haftungsschuldner einbezogen werden müssen, weil zum Zeitpunkt von dessen Amtsantritt noch Geldmittel zur Verfügung standen, wie das FA selbst ausführt. Dabei kann in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob der alte oder der neue 1. Vorsitzende die Gehaltszahlung mit Wertstellung vom 04.10.1999 veranlasst und ob das Überweisungsformular „blanko“ unterschrieben war, denn nach Überweisung der Gehälter verblieben auf dem Konto … bei der Sparkasse H noch fast 100.000 DM, so dass nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass die Verantwortung für die Nichtabführung der LSt für 09/99 zum Zeitpunkt der Fälligkeit am 10.10.1999 allein dem Kläger und dem 2. Vorsitzenden anzulasten ist.

Der Haftungsbescheid ist deshalb insoweit aufzuheben, als damit eine Haftung für die am 19.10.1999 angemeldete LSt samt Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern in Höhe von insgesamt 108.432,20 DM sowie für die am 23.11.1999 angemeldete LSt nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern in Höhe von insgesamt 118.289,60 DM begründet wird.

C. Die Säumniszuschläge für die LSt 08/99 sind vom FA neu zu berechnen.

Der gesetzliche Vertreter haftet gemäß §§ 34, 69 AO auch für solche Säumniszuschläge, die durch seine schuldhaft herbeigeführten Pflichtverletzungen entstanden sind, wie dies hier für die LSt 08/99 der Fall ist. Die Haftung für Säumniszuschläge endet aber wegen der Akzessorietät der Haftung dann, wenn der Steuerschuldner zahlungsunfähig geworden ist (vgl. BFH-Beschluss vom 24.01.1989 VII B 188/88, BStBl. II 1989, 315). Das war hier in Anbetracht der zuvor noch vorhandenen erheblichen Barmittel frühestens am 15.10.1999 der Fall. Das FA hat sich in der mündlichen Verhandlung mit einer entsprechenden Neuberechnung der Säumniszuschläge einverstanden erklärt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus §§ 151, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

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