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Holger J. Haberbosch
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Schachtelprivileg gilt auch für KGaA

Für das sogenannte Schachtelprivileg ist ausreichend, dass die Dividendenzahlung an eine inländische Kapitalgesellschaft fliesst.

BFH: Urteil vom 19.05.2010 – I R 62/09

DBA-Frankreich a.F. Art. 9 Abs. 4 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1, Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1; EStG 1990 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3; KStG 1996 § 9 Abs. 1 Nr. 1

(Vorinstanz: Hessisches FG vom 23. 6. 2009 12 K 3439/01 (IStR 2009, 658))

Gründe:

A.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, war bis 2009 eine OHG, an der im Streitjahr 1996 sowohl unbeschränkt als auch -im Umfang von rd. 30,86 v.H.- beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt waren. Die Klägerin war ihrerseits Komplementärin der Beigeladenen, einer börsennotierten KGaA, und hielt an dieser einen Anteil von 73,837 v.H.; die übrigen Anteile der Beigeladenen wurden von Kommanditaktionären gehalten.

Die Beigeladene hielt u.a. -zu ca. 99 v.H. bzw. 100 v.H.- Beteiligungen an zwei französischen Kapitalgesellschaften. Aus diesen Beteiligungen vereinnahmte sie im Streitjahr 1996 phasengleich Dividenden in Höhe von insgesamt rd. … Mio. DM, von denen für das Streitjahr gemäß der Beteiligungsquote auf die Klägerin … DM entfielen.

In der Satzung der Beigeladenen ist wirtschaftlich eine umfassende Gewinnpoolung zwischen der Klägerin und den Kommanditaktionären vereinbart, die sowohl das Ergebnis der Klägerin als auch das Ergebnis der Beigeladenen umfasst. Rechtlich wird die Gewinnpoolung durch Ergebnisbeteiligungs- und Ergebnisaufteilungsabreden erreicht. Wird wegen des Bezugs von Dividenden aus der Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft von dieser Gesellschaft geschuldete ausländische Körperschaftsteuer durch die ausländische oder durch die deutsche Finanzverwaltung erstattet, steht nach der Satzung der Beigeladenen dieser der Erstattungsbetrag als Ertrag aus ihrer Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft zu. Die Satzung der Beigeladenen begründet damit deren handelsrechtlichen Anspruch auf einen zusätzlichen Anteil an Beteiligungserträgen in Höhe der bei den Gesellschaftern durch die ausländischen Beteiligungen erzeugten steuerlichen Zusatzerträge (Erstattung ausländischer Körperschaftsteuer). Dies gilt entsprechend für den Fall, dass zusätzlich zu den Dividenden aus einer Beteiligung von der Beteiligungsgesellschaft entrichtete Körperschaftsteuer vergütet wird. Entsprechend dieser Satzungsvorschrift hat die Beigeladene den vollen Betrag der auf sie entfallenden Brutto-Bardividenden der beiden französischen Gesellschaften und den auf die Gesellschafter der Klägerin entfallenden Betrag der französischen Steuergutschrift -des „avoir fiscal“- als Beteiligungsertrag ausgewiesen. Die Gesellschafter der Klägerin haben ihre Ansprüche auf den „avoir fiscal“ an die Beigeladene abgetreten.

Die Klägerin beanspruchte -entgegen ihrer ursprünglichen Feststellungserklärungen- für die der Beigeladenen zugeflossenen Brutto-Bardividenden aus den beiden französischen Beteiligungen das sog. Schachtelprivileg gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 21. Juli 1959 (BGBl II 1961, 398) in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des Zusatzabkommens vom 28. September 1989 (BGBl II 1990, 772) -DBA-Frankreich a.F.-, nunmehr Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Satz 1 DBA-Frankreich in der Fassung des Zusatzabkommens vom 20. Dezember 2001 (BGBl II 2002, 2372) -DBA-Frankreich n.F.-, und Art. 4 der Richtlinie (EWG) Nr. 90/435 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vom 23. Juli 1990 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -ABlEG- 1990 Nr. L 225, 6, ber. ABlEG 1990 Nr. L 266, 20, geändert durch Beitrittsakte 1995, ABlEG 1995 Nr. L 1, 144) -Mutter-Tochter-Richtlinie-.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) folgte dem im Ergebnis -und entsprechend einer langjährigen steuerlichen Behandlung- nur in Bezug auf die Kommanditaktionäre, nicht aber in Bezug auf die Klägerin als (personalistische) Komplementäraktionärin, und stellte die Besteuerungsgrundlagen entsprechend fest. Den (nunmehr nur noch) hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin auf (anteilige) Erstattung des sog. avoir fiscal entsprach das FA im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellungen für das Streitjahr -abweichend von der zuvorigen Praxis- lediglich bezogen auf die unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der Klägerin; hinsichtlich der beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter lehnte es den Antrag wegen mangelnder Ansässigkeit jener Personen, wie aber für die Anrechnung bzw. Erstattung gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. bb Satz 2 DBA-Frankreich a.F. vonnöten, ab. In Einklang hiermit wurde der in dem (anteilig) festgestellten Gewinn der Klägerin enthaltene Ertrag wegen Gewährung des sog. avoir fiscal in entsprechendem Umfang nicht mehr erfasst. Dass die Klägerin den Ertrag aus dem avoir fiscal handels- ebenso wie steuerbilanziell tatsächlich nicht im Streitjahr, sondern erst im Wirtschaftsjahr 2000 ausgebucht hatte, ließ das FA dabei unberücksichtigt.

Die dagegen gerichtete Klage war mit ihrem Hauptantrag erfolgreich. Das Hessische Finanzgericht (FG) gab ihr mit Urteil vom 23. Juni 2009 12 K 3439/01 (veröffentlicht in Internationales Steuerrecht -IStR- 2009, 658) statt.

Während des Klageverfahrens hatte das FA den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer Außenprüfung durch abermaligen Änderungsbescheid vom 17. September 2003 ersetzt; das FG war darüber unterrichtet worden.

Seine Revision stützt das FA auf Verletzung formellen und materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat sich nicht geäußert.

B.

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

I. Die verfahrensrechtlichen Einwendungen des FA greifen nicht durch.

1. Das betrifft zunächst die „falsche“ Bezeichnung der Klägerin im Rubrum des angegriffenen FG-Urteils. Diese Falschbezeichnung ist richtigzustellen; Klägerin ist nicht die OHG, sondern deren Rechtsnachfolgerin, die KG. Die in 2009 durchgeführte Umwandlung ist in der (formalen) Bezeichnung der Klägerin als Verfahrensbeteiligte nachzuvollziehen; das kann auch durch das Revisionsgericht geschehen.

2. Auch der Umstand, dass das FG den Änderungsbescheid vom 17. September 2003 bei seiner Entscheidung nicht einbezogen hat, führt nicht zum Erfolg der Revision.

Allerdings ist das Urteil des FG zu einem im Zeitpunkt der Entscheidung materiell nicht mehr wirksamen Verwaltungsakt ergangen (vgl. Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs -BFH– vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BFHE 108, 1, BStBl II 1973, 231). Denn Gegenstand des Klageverfahrens war ausschließlich der (abermalige) Änderungsbescheid vom 17. September 2003, der nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in das Verfahren übergeleitet worden ist. Zwar hat die Klägerin ihren Antrag nicht entsprechend an diesen Bescheid angepasst, das FG ist über das Ergehen des Änderungsbescheids jedoch gemäß § 68 Satz 3 FGO in Kenntnis gesetzt worden. Sein Urteil ist dennoch gegen den zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr existenten Bescheid vom 7. August 2001 ergangen. Darin liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens.

Jedoch widerspräche es Sinn und Zweck des § 68 Satz 1 FGO, der darin besteht, das Verfahren fortsetzen zu können, wenn die Vorentscheidung im Rechtsmittelverfahren in einem solchen Fall auch dann zwingend aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen wäre, wenn durch den Änderungsbescheid keine neuen Streitpunkte in das Verfahren eingeführt worden sind; der Zweck einer Aufhebung und Zurückverweisung würde sich dann darin erschöpfen, der Vorinstanz Gelegenheit zu geben, den Änderungsbescheid datumsmäßig zu erfassen. Aus prozessökonomischen Gründen reicht deshalb in einem solchen Fall eine Richtigstellung in der Rechtsmittelentscheidung aus. Das wurde in der Vergangenheit für die Konstellation entschieden, dass das FG in Unkenntnis des Änderungsbescheides über den früheren Bescheid befunden hat (vgl. BFH-Beschluss vom 29. August 2003 II B 70/03, BFHE 203, 174, BStBl II 2003, 944; BFH-Urteile vom 31. Mai 2006 II R 32/04, BFH/NV 2006, 2232; vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214, BStBl II 2007, 393; Senatsbeschluss vom 7. August 2008 I B 161/07, BFH/NV 2008, 2053, dort unter konkludenter Aufgabe der früheren Sichtweise im Urteil vom 22. November 1995 I R 35/95, BFH/NV 1996, 611). Der Senat sieht jedoch keinen Grund, diese prozessökonomische und in Einklang mit § 68 Satz 1 FGO stehende Vorgehensweise auf eine derartige Konstellation zu verengen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Einbeziehung des aktenkundigen Änderungsbescheides in die abschließende Entscheidung jedenfalls dann nur versehentlich unterblieben ist, wenn keine anderweitigen Anhaltspunkte ersichtlich sind.

Im Streitfall kann danach von einer Zurückverweisung abgesehen werden. Zwar hat das FA nach Aktenlage das FG über den Erlass des Änderungsbescheides in Kenntnis gesetzt. Ausweislich der Ausführungen in Tatbestand und Entscheidungsgründen des FG-Urteils hatte die Vorinstanz indes bei der Entscheidungsfindung die Existenz des Änderungsbescheides offenkundig nicht (mehr) vor Augen, ebenso wenig, wie die Klägerin bei Formulierung ihres Klageantrags diesen an die neue Bescheidslage angepasst hat. Es kann somit ausgeschlossen werden, dass das FG bewusst nicht über den Änderungsbescheid, aus dem sich nach nunmehr übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten kein neuer Streitstoff ergeben hat, als Verfahrensgegenstand hat entscheiden wollen. Nach allem ist daher die Entscheidung des FG auf den Änderungsbescheid vom 17. September 2003 zu beziehen.

II. Die Revision ist auch in der Sache unbegründet.

1. Die Beigeladene war im Streitjahr in Deutschland ansässig und unterfällt hier mit ihrem Welteinkommen (§ 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG 1991-, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes -EStG 1990-) der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991). Darin einbezogen sind auch die Dividenden, die ihr seitens der französischen Tochtergesellschaften zugeflossen sind.

2. Das Besteuerungsrecht für diese Dividenden steht im Ergebnis jedoch Frankreich und nicht Deutschland zu; sie sind nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. von der Bemessungsgrundlage der deutschen Körperschaftsteuer auszunehmen (im Ergebnis ebenso Kramer, IStR 2010, 57 und 63; Hageböke, IStR 2010, 59; K. Ebling in Hörmann/Jüptner/Kobor/Zugmaier [Hrsg.], Brennpunkte des Steuerrechts, Festschrift für Jakob, 2001, S. 67; vgl. auch -zu dem mit Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. vergleichbaren, in Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 vereinbarten sog. Schachtelprivileg- Wolff in Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 7 USA Rz 122; anders Wassermeyer in Kessler/Förster/Watrin [Hrsg.], Unternehmensbesteuerung, Festschrift für Herzig, 2010, S. 897 ff., S. 902 ff.; derselbe in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 3 MA Rz 31). Denn es handelt sich hierbei in Einklang mit jenen Regelungen um aus Frankreich stammende Einkünfte, die einerseits nach dem DBA-Frankreich in Frankreich besteuert werden können (Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 DBA-Frankreich a.F.) und die andererseits den Dividenden (i.S. von Art. 9 Abs. 1 und 6 DBA-Frankreich a.F.) entsprechen, die von in Frankreich ansässigen Kapitalgesellschaften an eine in Deutschland ansässige Kapitalgesellschaft, der mindestens 10 v.H. des Gesellschaftskapitals der französischen Gesellschaften gehören, gezahlt werden (Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F.).

a) Die Dividenden können grundsätzlich nach dem DBA-Frankreich in Frankreich besteuert werden. Dass Art. 9 Abs. 4 Satz 1 DBA-Frankreich a.F. bei sog. Schachtelbeteiligungen von mindestens 10 v.H. Frankreich insofern ein Quellenbesteuerungsrecht versagt, steht dem nicht entgegen; es genügt für die Anwendung des Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 i.V.m. Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F., dass Frankreich gemäß Art. 9 Abs. 2 DBA-Frankreich a.F. allgemein ein Besteuerungsrecht zusteht. Im Einzelnen wird dazu auf das Senatsurteil vom 29. Mai 1996 I R 21/95 (BFHE 180, 422, BStBl II 1997, 63, dort unter II.2.a der Entscheidungsgründe) verwiesen.

b) Bei der beigeladenen KGaA handelt es sich -nach Maßgabe des insoweit ausschlaggebenden deutschen Rechts (s. dazu auch Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 39/07, BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234)- um eine in Deutschland ansässige (vgl. Art. 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a DBA-Frankreich a.F.) Kapitalgesellschaft, die im erforderlichen Mindestumfang von 10 v.H. Beteiligungen am Kapital der beiden französischen Tochtergesellschaften hält. Die Tochtergesellschaften sind ihrerseits Kapitalgesellschaften, die in Frankreich ansässig sind, und die in Rede stehenden Dividenden dieser Gesellschaften wurden an die Beigeladene gezahlt.

c) Damit sind sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des sog. Schachtelprivilegs i.S. von Art. 20 Abs. 1 Buchst. a Satz 1 und Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. erfüllt. Die unter den Beteiligten diskutierten Rechtsfragen danach, ob eine KGaA „Person“ i.S. des Einleitungssatzes von Art. 20 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b DBA-Frankreich a.F. ist und ob sie als eine solche Person aus wirtschaftlicher oder steuerrechtlicher Sicht Zahlungsempfängerin der Dividenden ist, stellt sich angesichts dessen nicht.

aa) Zwar regelt Art. 20 Abs. 1 DBA-Frankreich a.F., in welcher Weise die Doppelbesteuerung „bei Personen, die in der Bundesrepublik ansässig sind“, vermieden wird. In der Regel geschieht dies nach Abs. 1 Buchst. a Satz 1 der Vorschrift durch Freistellung der aus Frankreich stammenden Einkünfte jener Personen, bei denen es sich um in einem Vertragsstaat ansässige natürliche oder juristische Personen handeln muss. Doch steht diese Regelung unter dem Vorbehalt der Sonderregeln für Dividenden in Abs. 1 Buchst. b und Buchst. c der Vorschrift, in denen (auch) die Voraussetzungen für die betroffenen „Personen“ im Sinne des Einleitungssatzes spezifiziert und eingegrenzt werden. Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. sind das -gewissermaßen als eine Teilmenge jener Personen i.S. des Einleitungssatzes- in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaften, zu denen die Beigeladene fraglos gehört (vgl. § 278 des Aktiengesetzes). Personen im Sinne des Einleitungssatzes, die das sog. Schachtelprivileg nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. beanspruchen können, sind so gesehen einerseits nur, andererseits jedwede Kapitalgesellschaften, die (nur) in der Bundesrepublik ansässig sind. Einschränkungen nach der Gesellschafterstruktur jener Kapitalgesellschaften enthält das Abkommen insofern nicht.

Sie werden -im Hinblick auf die Qualifizierung als eine solche Kapitalgesellschaft- auch innerstaatlich nicht getroffen. Soweit solches für den Komplementär einer KGaA geschieht, betrifft das (lediglich) die Einkommenszuordnung zwischen der KGaA und ihrem persönlich haftenden Gesellschafter (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990), nicht jedoch die (Subjekt-)Eigenschaft der KGaA als Kapitalgesellschaft und damit auch nicht ihre abkommensrechtliche Behandlung im Zusammenhang mit der Gewährung des sog. Schachtelprivilegs. Um die abkommensrechtliche Behandlung der KGaA und des persönlich haftenden Gesellschafters als „Person“ (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Oktober 1990 I R 16/89, BFHE 163, 38, BStBl II 1991, 211) geht es in jenem Zusammenhang indes nicht. Ebenso wenig kommt die sog. Wurzeltheorie, nach der der Komplementär der KGaA originäre gewerbliche Einkünfte (i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG 1990) und keine (umqualifizierten, vgl. § 20 Abs. 3 EStG 1990) Dividenden erzielt (vgl. grundlegend BFH- Urteil vom 21. Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, BStBl II 1989, 881; näher Hageböke, Das „KGaA-Modell“, 2008, S. 120 f.), in diesem Zusammenhang zum Zuge: Zwar ist es im Ausgangspunkt Sache des innerstaatlichen und nicht des Abkommensrechts, wem eine Einkunft (in Deutschland nach Maßgabe von § 2 Abs. 1 EStG 1990, ggf. auch § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung) zuzurechnen ist. (Erst) an diese Zurechnung knüpft aus methodischer Sicht das Abkommensrecht -über die Abkommensberechtigung- an und hiernach ist die sich hieraus ergebende Steuerfreistellung zu gewähren. Doch setzt sich Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. über diese materielle Zurechnung abkommensspezifisch hinweg und begünstigt die KGaA als solche, und zwar auch dann, wenn die zu gewährende Freistellung aufgrund der innerstaatlichen Zurechnung -wie im Streitfall der Komplementärin in der Rechtsform einer Personengesellschaft- (auch) einer Person zugute kommt, der die Freistellung an sich nicht zusteht; die (Teil-)Transparenz der „hybriden“ KGaA wirkt sich nicht aus. Dafür, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1991 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 umgekehrt als sog. Treaty override konzipiert wäre, wonach das Abkommensrecht hinter dem nationalen Steuerrecht zurücktreten können soll, ist nichts ersichtlich.

bb) Gleiches gilt für die Frage, ob Empfänger der Dividenden jenseits des bloßen Zahlungsvorganges die „hinter“ der KGaA stehenden Gesellschafter sind. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. stellt darauf nicht ab. Ausschlaggebend ist hiernach vielmehr allein die Zahlung an eine in der Bundesrepublik ansässige Kapitalgesellschaft („… gezahlt …“). Letzteres ist unter den Gegebenheiten des Streitfalls die KGaA, nicht deren persönlich haftender Gesellschafter. Ob dies nach Maßgabe eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das sich enger als das DBA-Frankreich an das Musterabkommen der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD-MustAbk) anlehnt und wie dort die Begriffe des „Nutzungsberechtigten“ als desjenigen verwendet, welcher die betreffenden Einkünfte „bezieht“ (so Wassermeyer in Festschrift Herzig, a.a.O., S. 897, 906; s. in diesem Zusammenhang auch Senatsurteil in BFHE 222, 509, BStBl II 2009, 234), anders ist, mag dahinstehen; in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa Satz 1 DBA-Frankreich a.F. werden beide Begriffe nicht aufgegriffen. Maßgeblich ist deswegen der bloße Abfluss der Beträge bei den leistenden Gesellschaften an die inländische Kapitalgesellschaft (vgl. zu diesem spezifisch abkommensrechtlichen Verständnis des Ausdrucks „Zahlung“ Wassermeyer in Debatin/ Wassermeyer, a.a.O., Art. 10 MA Rz 39; Grützner in Gosch/ Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 46 f.; Gaffron in Haase, AStG/DBA, Art. 10 MA Rz 44).

3. Ist das Urteil der Vorinstanz im Ergebnis in dem von der Klägerin gestellten Hauptantrag zu bestätigen, kam es auf die weiteren Streitfragen, insbesondere derjenigen nach der vollen Erfassung und Anrechnung bzw. Erstattung der französischen Steuergutschrift (des sog. avoir fiscal) für die unbeschränkt ebenso wie für die beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter der Klägerin, die diese mit ihrem Hilfsantrag beansprucht, nicht mehr an.

DStR 2010, 1712

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