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Holger J. Haberbosch
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Wegzug in die Schweiz wegen Heirat muss zeitnah erfolgen

Das FG Baden-Württemberg hat entschieden, dass es die Sache der Finanzbehörden sei, Verwaltungsanweisungen und Verständigungsvereinbarungen auszulegen, dies sei grundsätzlich gerichtlich auch nicht überprüfbar. Hinsichtlich der Ausnahme der Wegzugsbesteuerung bei Heirat wird demnach ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Heirat und Wegzug (6 Monate) verlangt.

FG Baden-Württemberg: Urteil vom 06.05.2010 – 3 K 3043/09

AO § 5; AO § 163 S. 1; AO § 227; DBA CHE Art. 4 Abs. 4; DBA CHE Art. 26 Abs. 3; FGO § 102; GG Art. 3 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1

Die Beteiligten streiten im Verfahren wegen Erlass von Einkommensteuer darüber, ob der Kläger aufgrund der Billigkeitsregelung in Tz. 41 des gemeinsamen Einführungsschreibens zur Neuregelung der Grenzgängerbesteuerung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen – BMF- vom 19. September 1994, BStBl I 1994, 683, sowie Schreiben der Eidgenössischen Steuerverwaltung – EStV – vom 6. September 1994, Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, Kommentar, A 3.3.10) Anspruch auf Erlass der vom FA unter Anwendung des Art. 4 Abs. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und der Schweizerischen Eidgenossenschaft (Schweiz) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (BGBl II 1972, 1021, BStBl I 1972, 518; – DBA Schweiz -) festgesetzten Einkommensteuer hat.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und verzog am … 2004 von … (F), Deutschland, nach … (B), Schweiz, zu seiner Lebensgefährtin, der in Deutschland geborenen Frau … (A), einer schweizerischen Staatsangehörigen. A war bereits im Jahr 2001 von ihrem früheren Ehemann geschieden worden. Der Kläger und A heirateten am 12. Januar 2008.

Zum 31. März 2004 gab der Kläger seine bisherige Berufstätigkeit bei einer Automobilfirma in F auf; seit 15. April 2004 arbeitet er in … (W), Deutschland, in einem Autohaus. Seither ist er Grenzgänger. Neben Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit in Deutschland (zunächst in F, dann in W) erzielte der Kläger im Jahr 2004 (Streitjahr) außerdem negative Einkünfte aus der Vermietung eines in Deutschland belegenen Grundstücks sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen.

Am 30. Januar 2006 gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr für beschränkt Steuerpflichtige ab. Mit Schreiben vom 14. August 2007 wies der Beklagte (das Finanzamt – FA -) den Kläger darauf hin, dass er, der Kläger, im Wegzugsjahr noch als unbeschränkt Steuerpflichtiger zur Einkommensteuer zu veranlagen sei. Das FA bat deshalb um Einreichung einer entsprechenden Erklärung unter Angabe der nach Wegzug erzielten deutschen und schweizerischen Einkünfte und um Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz.

Auf diese Aufforderung hin ging zunächst kein Antwortschreiben beim FA ein. Das FA setzte deshalb im Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 18. Februar 2008 u.a. den ab 15. April 2004 bezogenen Arbeitslohn als in Deutschland einkommensteuerpflichtig an. Auf die Rüge des Klägers, den Einkommensteuerbescheid nicht erhalten zu haben, gab das FA den Einkommensteuerbescheid am 29. April 2008 nochmals bekannt.

Mit seinem Einspruch trug der Kläger vor, die geschätzten Einkünfte seien schon nach schweizerischem Steuerrecht berücksichtigt worden. In der Folgezeit reichte der Kläger beim FA weitere Nachweise sowie eine Einkommensteuererklärung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht ein, in der er nur die Einkünfte vor Wegzug sowie die Vermietungseinkünfte des gesamten Jahres als steuerpflichtig erklärte. Zudem gab der Kläger Einkünfte aus Kapitalvermögen an. Als nach DBA Schweiz unter Progressionsvorbehalt steuerfreien Arbeitslohn teilte der Kläger … EUR mit.

Zur Begründung des Einspruchs trug der Kläger erstmals am 7. Juli 2008 vor, dass er, der Kläger, wegen Heirat in die Schweiz verzogen sei. Er lebe seither mit A, seiner jetzigen Ehefrau, auf eigenem Grundbesitz in B. Gemäß Tz. 41 des BMF-Schreibens vom 19. September 1994 (BStBl I 1994, 683) sei Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz nicht anzuwenden. Er fügte einen Nachweis über die Eheschließung am 12. Januar 2008 bei.

Aufgrund der eingereichten Erklärungen und Unterlagen erließ das FA am 18. Juli 2008 einen Teilabhilfebescheid, indem es die Einkommensteuer herabsetzte, aber als in Deutschland steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit auch den Arbeitslohn aus den Tätigkeiten in F und W berücksichtigte. Die nachgewiesene schweizerische Steuer wurde angerechnet. Zum Antrag des Klägers, Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz nicht anzuwenden, teilte das FA in den Erläuterungen zum Teilabhilfebescheid mit, dass kein Wegzug wegen Heirat vorliege. Der Wegzug sei im April 2004 erfolgt, die Heirat im Januar 2008. Die Ausnahmeregelung in Tz. 41 des BMF-Schreibens vom 19. September 1994 (BStBl I 1994, 683) greife deshalb nicht ein.

Hierzu trug der Kläger vor, Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz sei eingeführt worden, um die Steuerflucht zu erschweren. Nachdem klar geworden sei, dass die Steuerbelastung nicht der einzige Grund sei, um sich in der Schweiz niederzulassen, habe man Ausnahmen von der „überdachenden Besteuerung“ geschaffen. In Tz. 41 des BMF-Schreibens sei nur vom Wegzug „wegen Heirat“ die Rede und nicht vom Wegzug innerhalb eines kurzen oder angemessenen Zeitraums, wie es üblich sei, falls es so vom „Gesetzgeber“ gewünscht sei. Sicherlich sei es nicht richtig, jeden, der irgendwann einmal in der Schweiz heirate, unter diese Ausnahme zu stellen. Ein pauschales Zeitfenster von sechs Monaten sei aber nicht Sinn und Zweck der Tz. 41. Der Kläger sei in die Schweiz verzogen, um seine jetzige Ehefrau, A, zu heiraten. Er habe seine berufliche Karriere aufgegeben, was ein „Steuerabwanderer“ nicht mache. Zum Nachweis legte der Kläger eine Chronik der Jahre ab 2001 vor, in der er die Entwicklung der Beziehung mit A und den beruflichen Werdegang aus seiner Sicht schilderte:

Danach beendete A im Mai 2001 einen Forschungsaufenthalt in E, Deutschland, wo sie den Kläger kennengelernt hatte, und nahm eine Tätigkeit als Oberärztin in B auf. Der Kläger trat im Juni 2001 seine neue Stelle in F an. Mitte 2003 habe man beschlossen zu heiraten und zusammenzuziehen. Man habe sich nach einem geeigneten Grundstück umgesehen, das wegen der beruflichen Tätigkeit der A in der Nähe der Klinik in B habe liegen müssen. Ende 2003 habe man ein Grundstück in B gefunden und der Kläger eine Aufenthaltsbewilligung in der Schweiz beantragt, die ihm am 29. März 2004 erteilt worden sei. Ende März 2004 sei das Haus in B bezugsfertig gewesen und bezogen worden. Zeitgleich habe beim Kläger ein – bei seinem alten Arbeitgeber üblicher – Arbeitsortswechsel angestanden. Da der alte Arbeitgeber nur Stellen in H und S angeboten habe, der Kläger aber keine Wochenendbeziehung (mehr) habe führen wollen, habe er sich entschieden, zum neuen Arbeitgeber nach W zu wechseln. Die nächsten Jahre seien durch das neue Haus, den neuen Job und die Habilitation der A so abwechslungsreich gewesen, dass der Plan zu heiraten immer weiter nach hinten verschoben worden sei. Die für nach der Habilitation geplante Heirat sei durch Chefarztwechsel und Umstrukturierungen am Arbeitsplatz der A weiter verschoben worden und habe schlussendlich im Januar 2008 stattgefunden, nachdem A leitende Oberärztin geworden sei. Es sei ersichtlich, dass der Wegzug wegen Heirat erfolgt sei. Die unglücklichen Umstände hätten den Heiratswillen nicht brechen können.

Das FA wies den Einspruch des Klägers mit Einspruchsentscheidung vom 28. Oktober 2008 als unbegründet zurück. Das FA führte unter Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. November 2003 I R 64/02 (BFH/NV 2004, 765) aus, die Anwendung der Tz. 41 des genannten BMF-Schreibens könne nicht im Festsetzungsverfahren durchgesetzt werden, weil es sich dabei um eine Billigkeitsregelung handele. Sie könne nur in einem hiervon zu trennenden Billigkeitsverfahren gemäß § 163 oder § 227 der Abgabenordnung (AO) verfolgt werden. Ein Einspruch gegen die Ablehnung einer Billigkeitsmaßnahme durch den Einkommensteuerbescheid vom 18. Juli 2008 sei noch möglich, da der Ablehnung keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt worden sei.

Die gegen diese Einspruchsentscheidung im Festsetzungsverfahren zunächst erhobene Klage 3 K 5342/08 nahm der Kläger am 20. Juli 2009 zurück.

Daneben legte der Kläger mit Schreiben vom 17. November 2008 beim FA Einspruch gegen die Ablehnung der Billigkeitsmaßnahme ein und legte als Begründung eine Kopie der Klagebegründung im Verfahren 3 K 5342/08 vor. Spätestens im Billigkeitsverfahren sei den dortigen Erwägungen Rechnung zu tragen; die Besteuerung des Arbeitslohns aus der Tätigkeit des Klägers in W könne daher nur mit 4,5% Steuerabzug erfolgen.

In der Sache ließ der Kläger nochmals vortragen, der Wegzug sei „wegen Heirat“ i.S.d. Tz. 41 des Einführungsschreibens erfolgt. Die Formulierung „wegen“ stelle allein auf eine subjektive Komponente, nämlich die Intention des Klägers, ab und nicht auf ein Zeitmoment. Da der Kläger A, eine schweizerische Staatsangehörige, geheiratet habe, derentwegen er in die Schweiz verzogen war, sei der seinerzeitige Vorsatz bewiesen.

Der Standpunkt der Finanzverwaltung, zwischen Wegzug und Heirat liege ein zu langer Zeitraum, sei nicht haltbar, wie die persönliche Geschichte des Klägers und seiner Ehefrau verdeutliche. Im Herbst 2000 hätten sich die jetzigen Eheleute in E kennengelernt. Der Kläger habe dort bereits einige Jahre gewohnt und in N gearbeitet, A habe sich dort für ein Jahr im Rahmen eines Forschungsaufenthalts, der zur Habilitation an der Universität B notwendig gewesen sei, aufgehalten. Die Rückkehr der A an ihre ursprüngliche Arbeitsstelle in B sei im April 2001 erfolgt. Der Kläger sei im Juni 2001 nach F gezogen, nachdem er dort von seinem Arbeitgeber eine Stelle als Teamleiter Verkauf erhalten habe, so dass ein Treffen mit A an den Wochenenden möglich gewesen sei. Mehr als zwei Jahre nach dem Umzug des Klägers nach F habe man sich entschlossen zusammenzuziehen. Aufgrund der geplanten beruflichen Laufbahn von A habe man sich auf B als gemeinsamen Lebensmittelpunkt geeinigt und dort nach einem geeigneten Wohnobjekt gesucht. Außerdem habe man geplant, diesen Schritt durch eine Heirat im Frühjahr 2004 zu festigen. Es habe sich dann die Möglichkeit ergeben, in begehrter Wohnlage von B ein sanierungsbedürftiges Haus aus dem Jahr 1937 zu erwerben. Da während des Umbaus neben der beruflichen Tätigkeit keinerlei Zeit und Energie für die Durchführung der Hochzeit mehr vorhanden gewesen sei, sei die Heirat verschoben worden, obwohl man sich an Silvester 2003 verlobt habe.

Zum 1. April 2004 sei der Kläger mit seiner jetzigen Ehefrau in das (noch immer nicht vollständig renovierte) Haus eingezogen. Da der Kläger eine Versetzung innerhalb des Konzerns seines Arbeitgebers befürchtet habe, habe er eine neue Tätigkeit in Grenznähe gesucht und in W gefunden. Aufgrund der mit der neuen Arbeitsstelle verbundenen Anforderungen sowie der Habilitation der A sei es nicht möglich gewesen, sich um die Hochzeit zu kümmern. Nachdem im Frühjahr 2005 die Habilitation erfolgt sei und im Mai 2005 in angemessenem familiärem Rahmen mit Freunden und Familienangehörigen gefeiert worden sei, habe A im Spätsommer eine berufsbegleitende Zusatzausbildung in Psychosomatik an der Universität B begonnen. Im Oktober 2005 habe man dann erneut mit der Planung der Hochzeit für März 2006 begonnen. In Anbetracht der großen Familie der jetzigen Ehefrau habe man frühzeitig mit der Planung beginnen müssen. Da A aufgrund Umstrukturierungen innerhalb der Klinik ab Sommer 2006 nur noch eine 50%-Stelle innegehabt habe, sei die Hochzeit wiederum verschoben worden. Dann sei A jedoch eine 80%-Stelle als leitende Oberärztin zugesagt worden. Die daraufhin wieder aufgenommene Planung der Hochzeit für Frühjahr 2007 sei in der Folgezeit durch eine Erkrankung des Brautvaters im Januar 2007 durchkreuzt worden, so dass die Hochzeit schlussendlich erst im Januar 2008 habe erfolgen können.

Das Beispiel des Klägers und seiner jetzigen Ehefrau zeige, dass die Auslegung der Finanzverwaltung, wonach ein Wegzug „wegen Heirat“ (lediglich) im Sinne eines Zeitmoments anzunehmen sei, an der Sache vorbeigehe. Entscheidend könne nur das subjektive Moment sein. Den Vorsatz der Eheschließung hätten die jetzigen Eheleute vor dem Wegzug gefasst. Diesen Vorsatz hätten sie nachgewiesen, indem sie die Ehe tatsächlich geschlossen hätten. Der zeitliche Abstand zwischen Wegzug und Eheschließung beruhe auf der schicksalhaften Entwicklung, die ihr Leben genommen habe.

Auch weil die Ehe den besonderen Schutz nach Art. 6 des Grundgesetzes (GG) genieße, müsse es der Finanzverwaltung verwehrt sein, Steuerpflichtige aus rein fiskalischen Erwägungen dazu zu zwingen, andere, in ihrer individuellen Situation nicht als vorrangig erachtete Ziele zu verfolgen und das Ziel „Heirat“ befristet zurückzustellen.

Mit Schreiben vom 20. Mai 2009 übersandte das FA dem Kläger eine Kopie aus Fach A Teil 4 Nr. 1 des sog. Grenzgängerhandbuchs der dem FA vorgesetzten Oberfinanzdirektion (OFD) Karlsruhe (nicht veröffentlicht – n.v.-, Stand März 2009, Seite 13, Hervorhebungen auch dort), wo es auszugsweise heißt:

„Hinweis: Aufgrund des Wortlauts der Verständigungsvereinbarung „Wegzug wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit“ wird von der Anwendung der Abwandererregelung abgesehen, wenn der Wegzug in zeitlichem Zusammenhang mit der Heirat erfolgt ist. Ein zeitlicher Zusammenhang ist dabei als noch gegeben anzusehen, wenn die Heirat in einem Zeitraum von sechs Monaten vor und sechs Monaten nach dem Wegzug erfolgt.“

Nachdem der Kläger gleichwohl eine förmliche Entscheidung erbeten hatte, wies das FA den Einspruch am 30. Juni 2009 als unbegründet zurück.

Der Einspruch sei fristgerecht erfolgt, da der im Einkommensteuerbescheid vom 18. Juli 2008 ausgesprochenen Ablehnung, die Billigkeitsregelung nach Tz. 41 des genannten BMF-Schreibens anzuwenden, keine eigene Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen sei. Über den Einspruch sei außerdem unabhängig von dem (damals noch) anhängigen Klageverfahren gegen Einkommensteuerfestsetzung zu entscheiden, da die Ablehnung der genannten Billigkeitsregelung ein eigenständiger Verwaltungsakt sei.

Jedoch seien die Voraussetzungen der in Tz. 41 des Einführungsschreibens definierten Billigkeitsregelung nicht erfüllt. Danach müsse der Wegzug in die Schweiz wegen der Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgen. Nach dem Wortlaut der Verständigungsvereinbarung müsse der Wegzug wegen Heirat erfolgen. Diese Wortwahl stelle nicht nur Anforderungen an die Motivlage des Wegziehenden im Zeitpunkt des Wegzugs, sondern der Wegzug müsse auch nach objektiven Gesichtspunkten in einem kausalen Zusammenhang mit der Heirat stehen. Ein solcher Zusammenhang sei durch die Durchführung der Heirat in zeitlichem Zusammenhang mit dem Wegzug glaubhaft zu machen. Selbst wenn ein Zeitraum von sechs Monaten vor und nach Wegzug, den die deutsche Finanzverwaltung als Glaubhaftmachung des kausalen Zusammenhangs anerkenne, kurz sein möge, sei ein Zeitraum von mehr als drei Jahren und neun Monaten zwischen Wegzug und Heirat in jedem Fall zu lang, um daraus noch irgendeinen Zusammenhang herleiten zu können.

Aber auch die Motivlage des Klägers und seiner jetzigen Ehefrau scheine bei Wegzug nach der – nicht durch Nachweise belegten – Einspruchsbegründung nicht die Heirat gewesen sein. Zwar solle zum Jahreswechsel 2003/2004 eine Verlobung stattgefunden haben, andererseits sei Ende 2003 ein sanierungsbedürftiges Haus in B erworben worden, wegen dessen Sanierung bzw. Umbau die vorgesehene Hochzeit verschoben worden sei. Dieses Haus sei bei Einzug des Klägers zum 1. April 2004 immer noch nicht vollständig renoviert gewesen. Im Zeitpunkt des Wegzugs in die Schweiz habe also gerade nicht die konkrete Absicht bestanden zu heiraten. Und wie sich aus den weiteren Darstellungen ergebe, sei die vom Kläger vorgetragene Absicht jahrelang hinter berufliche Ambitionen des Klägers und seiner späteren Ehefrau zurückgestellt worden. Daraus sei zu schließen, dass der Kläger und A im Jahr 2004 zwar zusammenziehen wollten, eine Heirat jedoch nicht Motiv des Umzugs des Klägers in die Schweiz gewesen sei. Der Wegzug wegen der Aufnahme einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft werde jedoch von Tz. 41 des Einführungsschreibens nicht erfasst. Auch ein Verstoß gegen Art. 6 GG sei nicht ersichtlich, da mit der Verständigungsvereinbarung das Institut der Ehe gegenüber dem Zusammenleben ohne Trauschein begünstigt werde.

Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und benennt zum Beweis der Tatsache, dass der Kläger bei Wegzug die Absicht gehabt habe, A zu heiraten, seine Mutter, seine Schwiegereltern, die Trauzeugen sowie Geschwister des Klägers und der A als Zeugen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das FA unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 18. Juli 2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 30. Juni 2009 zu verpflichten, die aufgrund der Anwendung Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz festgesetzte deutsche Einkommensteuer zu erlassen.

Das FA beantragt, die Klage abzuweisen.

Es verteidigt den Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2010 und 1. März 2010 haben beide Beteiligte auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Dem Gericht lagen neben der Gerichtsakte 3 K 3043/09 eine Einkommensteuerakte sowie zwei Rechtsbehelfsakten vor. Die Gerichtsakte 3 K 5342/08 wurde beigezogen. Auf den Inhalt der Akten wird vollumfänglich Bezug genommen.

Die Klage ist unbegründet. Die Entscheidung des FA, den beantragten Erlass abzulehnen, ist gerichtlich nicht zu beanstanden.

I. Nach § 163 Satz 1 AO kann eine Steuer u.a. niedriger festgesetzt werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

1. Die Unbilligkeit der Erhebung einer Steuer, an die §§ 163, 227 AO die Möglichkeit einer abweichenden Steuerfestsetzung oder eines Erlasses knüpfen, kann sich aus sachlichen oder aus persönlichen Gründen ergeben. Sachlich unbillig ist die Erhebung vor allem dann, wenn sie im Einzelfall nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft. Persönliche Unbilligkeit liegt vor allem dann vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde.

2. Die nach § 163 AO oder § 227 AO zu treffende Billigkeitsmaßnahme ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Sie kann im finanzgerichtlichen Verfahren nur dahin geprüft werden, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 FGO). Im Rahmen des § 163 AO bestimmt der Maßstab der Billigkeit Inhalt und Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 18. Dezember 2007 VI R 13/05, BFH/NV 2008, 794).

a) Ist eine Finanzbehörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten (§ 5 AO). Vorgesetzte Dienststellen können dazu ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften erlassen, die unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung und damit der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) von Bedeutung sein können (vgl. BFH-Beschluss vom 11. März 2003 VII B 208/02, BFH/NV 2003, 816). Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dabei die Gleichbehandlung der Bürger durch ein und denselben, nicht aber eine Gleichbehandlung durch mehrere, voneinander unabhängige Hoheitsträger (BVerfG-Beschluss vom 23. November 1988 2 BvR 1619, 1628/83, BVerfGE 79, 127, 158; BFH-Urteil vom 1. Juli 2009 I R 81/08, BFHE 226, 90, BFH/NV 2009, 1908).

b) Nur ausnahmsweise kann ein Gericht eine Verpflichtung zum Erlass aussprechen, nämlich dann, wenn der Ermessensspielraum der Finanzbehörde derart eingeschränkt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. „Ermessensreduzierung auf null“; ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1994 X R 104/92, BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Die Gerichte haben bei der Überprüfung der Ermessensentscheidung ermessenslenkende Verwaltungsanweisungen grundsätzlich ebenfalls zu berücksichtigen (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1994 IX R 128/92, BFHE 176, 298, BStBl II 1995, 291; BFH-Beschluss vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 417, BStBl II 1984, 751, 757). Abgesehen davon darf das Gericht nicht seine eigene Ermessensentscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung des FA setzen (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes in BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603; BFH-Urteil vom 23. Oktober 2003 V R 2/02, BFHE 203, 410, BStBl II 2004, 39).

c) Weitere Folge der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Ermessensentscheidungen ist, dass für die Auslegung einer ermessenslenkenden (oder ermessensleitenden) Verwaltungsvorschrift nicht maßgeblich ist, wie das FG eine solche Verwaltungsanweisung versteht, sondern wie die Verwaltung sie verstanden hat und verstanden wissen wollte. Das FG darf daher solche Verwaltungsanweisungen nicht selbst auslegen, sondern nur darauf überprüfen, ob die Auslegung durch die Behörde möglich ist (z.B. BFH-Beschluss vom 4. Juni 2003 VII B 138/01, BFHE 202, 231, BStBl II 2003, 790; BFH-Urteil vom 13. Januar 2005 V R 35/03, BFHE 208, 398, BStBl II 2005, 460).

3. Solch eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift findet sich in Tz. 41 des BMF-Schreibens vom 19. September 1994 (BStBl I 1994, 683), weil die dort niedergelegte Regelung über den klaren Wortlaut des Abkommens hinausgeht und deshalb nur als Billigkeitsregelung gewertet werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02, BFH/NV 2004, 765).

a) Tz. 41 des genannten BMF-Schreibens lautet – soweit hier von Interesse- wie folgt:

„Die Regelung des Art. 4 Abs. 4 DBA ist nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt“.

Diese Billigkeitsregelung geht auf eine Verständigungsvereinbarung des BMF mit der EStV zurück (BMF-Schreiben vom 21. April 1977, Schreiben der EStV vom 10. August 1977, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, Kommentar, B 4.4 Nr. 13). Diese lautet:

„Für Grenzgänger …, die in der Schweiz ansässig sind, ist Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz nicht anzuwenden, wenn der Wegzug in die Schweiz wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit erfolgt ist“.

Anschließend wurde angeordnet, nach dieser Regelung rückwirkend ab dem Jahr 1972 zu verfahren (z.B. Verfügung des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 20. Juni 1977 und des Bayerischen Staatsministerium der Finanzen vom 26. Mai 1977, juris).

b) Zur Ausgestaltung dieser Billigkeitsregelung haben die Finanzbehörden der Länder Verwaltungsanweisungen erlassen, u.a. die OFD Karlsruhe Fach A Teil 4 Nr. 1 des Grenzgängerhandbuchs (s.o.). Entsprechend verfährt die deutsche Finanzverwaltung bei der Anwendung der Verständigungsvereinbarung aus dem Jahr 1977 in der Praxis.

c) Gleichzeitig ist festzustellen, dass die EStV die Verständigungsvereinbarung anders als das BMF auslegt: Die EStV geht davon aus, dass es für diese Regelung nur auf ein kausales Verständnis ankommt (vgl. Schreiben der EStV vom 7. April 2005, abgedruckt in Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, DBA Schweiz-Deutschland, Kommentar, B 4.4 Nr. 26). In dem dort von der EStV geschilderten Fall ist eine Verständigungsvereinbarung mit Deutschland gescheitert, weil zwischen Wegzug und Heirat knapp mehr als 10 Monate lagen (Umzug in die Schweiz am 28. Januar 2003; Heirat am 12. Dezember 2003) und die deutsche Seite – entsprechend ihrer Auslegung in den o.g. Regelungen- die Auffassung vertreten hat, der Sechsmonatszeitraum sei überschritten.

II. Nach diesen Grundsätzen ist der Ablehnungsbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Beachtung des § 102 FGO rechtlich nicht zu beanstanden.

1. Das FA hat seine Entscheidung, den beantragten Erlass abzulehnen, im Ablehnungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung eingehend begründet. Es hat die für und gegen den Erlass sprechenden Umstände in ausreichendem Maße gegeneinander abgewogen und ist im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung zu dem Ergebnis gelangt, der Erlass sei abzulehnen. Innerhalb der dem Gericht durch § 102 FGO gezogenen Grenzen ist diese Entscheidung aus Sicht des Senats frei von Rechtsfehlern.

2. Das Ermessen des FA war nicht durch Tz. 41 des BMF-Schreibens vom 19. September 1994 (BStBl I 1994, 683) auf null reduziert. Danach ist zwar ein Erlass auszusprechen, wenn der Wegzug „wegen Heirat“ erfolgt ist. Die deutsche Finanzverwaltung steht jedoch auf dem Standpunkt, dass dafür ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Wegzug und Heirat von sechs Monaten erforderlich ist. Aufgrund der weiteren ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift in Fach A Teil 4 Nr. 1 des sog. „Grenzgängerhandbuchs“ war danach wohl das Ermessen des FA sogar insoweit auf null reduziert, als das FA den Erlass aus Sicht der ihm vorgesetzten OFD wohl nicht aussprechen durfte.

3. Der erkennende Senat muss (genauer sogar: darf) nicht entscheiden, wie er selbst Tz. 41 des BMF-Schreibens auslegen würde. Vielmehr ist die Auslegung dieser Regelung durch die OFD und das FA möglich; nur darauf kommt es im Streitfall an.

a) Zu der – anders formulierten, aber inhaltlich ähnlichen- Regelung in Art. 4 Abs. 4 Satz 4 DBA Schweiz wird die Auffassung vertreten, dass dort nicht erforderlich ist, dass die beabsichtigte Arbeitsaufnahme schon konkrete Formen angenommen hat. Im dortigen Fall müssen weder der Arbeitgeber noch der Arbeitsplatz noch die Art der auszuübenden Tätigkeit beim Wegzug in die Schweiz feststehen. Schließlich genügt es, wenn beim Wegzug in die Schweiz die Absicht der Arbeitsaufnahme vorhanden war, selbst wenn diese Absicht dann später endgültig und auf Dauer aufgegeben wird (vgl. dazu BFH-Urteil vom 2. September 2009 I R 111/08, BFHE 226, 276, DStR 2009, 2235). Der erkennende Senat könnte deshalb bei eigener Auslegung der Verständigungsvereinbarung möglicherweise zu der Auffassung gelangen, dass er bei eigener Auslegung aus dem Begriff „wegen Heirat“ keine Sechsmonatsgrenze herauslesen würde.

b) Allerdings kommt es darauf nicht an; denn der erkennende Senat darf nach der Rechtsprechung des BFH (s. I.2.c) nur prüfen, ob die Auslegung durch BMF, OFD und FA möglich ist. Dies ist auf der Grundlage der Formulierung „wegen Heirat“ der Fall.

Der Wortlaut „wegen Heirat“ lässt diese Auslegung zu. Die Auslegung sorgt auch für Rechtssicherheit: Die Frage, wann der definitive Entschluss zur Eheschließung gefallen ist (und ob er ggf. zwischenzeitlich weggefallen und später wieder neu gefasst worden ist), ist eine innere Tatsache. Sie kann letztlich nur jeder Ehegatte für sich selbst zweifelsfrei beantworten; dieses Wissen gehört außerdem zur engsten Privatsphäre eines Menschen. Jegliche Sachverhaltsaufklärung durch Finanzbehörden oder -gerichte erfordert ein Eindringen in diese Sphäre; zudem sind die Überprüfungsmöglichkeiten der Angaben in dieser Sphäre naturgemäß eingeschränkt (zur möglichen Bedeutung der eingeschränkten Überprüfbarkeit von Angaben im Rahmen von Typisierungen vgl. allgemein BVerfG-Beschluss vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98, BVerfGE 101, 297, BStBl II 2000, 162, unter B.II.2.b.aa). Von dem her erscheint es dem erkennenden Senat vertretbar, wenn die deutsche Finanzverwaltung – letztlich wohl aus Zweckmäßigkeitserwägungen- in die Formulierung „wegen Heirat“ auch ein Zeitmoment hineinliest, um dem Rechnung zu tragen. Eine zeitliche Grenze schafft zudem Planungssicherheit für Heiratswillige, vermittelt Steuerpflichtigen über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung Vertrauensschutz und setzt sie insoweit nicht den möglichen Unwägbarkeiten einer späteren Tatsachen- und Beweiswürdigung durch Dritte aus. Diese Erwägungen lassen die vom FA weisungsgemäß vertretene Auslegung möglich erscheinen.

c) Wegen der Grenzen des § 102 FGO meint der erkennende Senat weiter, dass er dem BMF – im Verfahren wegen Erlass oder abweichender Steuerfestsetzung – keine Auslegung einer – aus Billigkeitsgründen – mit der EStV abgeschlossenen Verständigungsvereinbarung aufzwingen darf, die das BMF im Streit mit der EStV für unzutreffend hält. Er teilt insoweit die Einschätzung des 12. Senats des Gerichts in seinem Urteil vom 5. August 2002 12 K 297/01 (EFG 2003, 913). Für Streitigkeiten der Finanzverwaltungen der beiden Vertragsstaaten über die zutreffende Auslegung einer von ihnen aus Billigkeitsgründen abgeschlossenen Verständigungsvereinbarung stellt vielmehr Art. 26 Abs. 3 DBA Schweiz erneute Verständigungsverhandlungen zur einvernehmlichen Streitbeilegung bereit. Alternativ könnten die DBA-Vertragsparteien Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz einvernehmlich ergänzen, ändern oder ganz streichen.

d) Zuletzt ist auch der Einwand des Klägers, im Streitfall gehe es um keinen Fall der Steuerflucht, aus Sicht des BMF nicht entscheidend. Nach Auffassung des BMF kann die Billigkeitsmaßnahme nicht allgemein auf Fälle des Fehlens der „Steuerflucht“ als Motiv ausgedehnt werden (vgl. dazu auch die gescheiterte Verständigungsvereinbarung gemäß BMF-Schreiben vom 3. August 1983, Schreiben der EStV vom 16. August 1983 zu einem Professor der Universität Konstanz; abgedruckt bei Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Deutschland, B 4.4 Nr. 19): Vielmehr soll nach Auffassung des BMF der Abwanderer in die Schweiz durch Art. 4 Abs. 4 DBA Schweiz die „vollen Abkommensvorteile“ erst nach einer gewissen Zeit erhalten.

4. Auch Art. 6 Abs. 1 GG erfordert kein Absehen von der überdachenden Besteuerung.

a) Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, enthält einen besonderen Gleichheitssatz: Er verbietet, Ehe und Familie gegenüber anderen Lebens- und Erziehungsgemeinschaften schlechter zu stellen; insbesondere untersagt ist eine Benachteiligung von Ehegatten gegenüber Ledigen (z.B. BVerfG-Beschluss vom 11. Oktober 2005 1 BvR 2627/03, BVerfGE 114, 316, BFH/NV 2006, Beilage 1, 77).

b) Art. 6 Abs. 1 GG verlangt aber keine Besserstellung der Ehegatten gegenüber Unverheirateten, solange nicht spezifische Belastungen auszugleichen sind (z.B. BFH-Urteile vom 15. November 2006 XI R 46/05, BFH/NV 2007, 678; vom 25. Juni 2008 X R 36/05, BFHE 222, 373, BFH/NV 2008, 2093). Aus dem Gebot der Förderung der Ehe erwachsen keine konkreten Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen (z.B. BFH-Urteil vom 23. November 2000 VI R 165/99, BFHE 193, 569, BStBl II 2001, 279). Auch die begrenzt fortbestehende Steuerpflicht eines Ehegatten im Inland ist nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Urteil vom 20. April 1988 I R 219/82, BFHE 154, 38, BStBl II 1990, 701; EuGH-Urteil vom 26. Januar 1993 C-112/91, Werner, Slg. 1993, I-429; wohl auch FG Baden-Württemberg vom 5. Dezember 2002 12 K 297/01, EFG 2003, 913).

5. Auf den – mit dem Angebot des Zeugenbeweises unterlegten – Vortrag des Klägers, er habe trotz der langen Zwischenzeit bei Wegzug beabsichtigt, A zu heiraten, kommt es auf Basis der möglichen Auslegung durch das FA nicht an. Der erkennende Senat muss den angebotenen Beweis deshalb nicht erheben. Außerdem ist bei der Überprüfung von Ermessensentscheidungen der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgeblich; neuer Sachvortrag oder neue Nachweise (hier: Zeugen) sind im Klageverfahren nicht berücksichtigungsfähig (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 30. Oktober 2008 VIII B 198/07, juris; vom 18. Mai 2004 VI B 51/01, juris, m.w.N.).

III. Der erkennende Senat weist den Kläger darauf hin, dass ihm nach Art. 26 Abs. 1 DBA Schweiz die Möglichkeit offen steht, eine Einzelverständigung anzuregen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

V. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die sich hier stellende Rechtsfrage konnte durch das BFH-Urteil vom 19. November 2003 I R 64/02 (BFH/NV 2004, 765) aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht geklärt werden.

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