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Holger J. Haberbosch
Rechtsanwalt
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Zweifel an Verfassungsmäßigkeit des §20 AStG

Es bestehen erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 20 AStG in der Hinsicht, dass dieser den völkerrechtlichen Regelungen eines DBA (hier:Schweiz) vorgeht.

FG Baden-Württemberg 09.12.2010, Az: 11 V 2885/09

Tenor

1. Die Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids 2005 vom 10. Februar 2009 wird in Höhe von 7.270 € Einkommensteuer, 797 € Zinsen zur Einkommensteuer und 304,76 € Solidaritätszuschlag gegen Sicherheitsleistung in der jeweiligen Höhe bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe des Urteils in der Hauptsache oder einer anderweitigen Erledigung des diesbezüglichen Verfahrens ausgesetzt. Soweit auf diese Nachforderung zwischenzeitlich bereits Beträge erhoben worden sind, werden diese auf die zu leistende Sicherheitsleistung angerechnet.

Die angeordnete Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung entfällt, wenn die Sicherheitsleistung nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung geleistet wird.

2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

I.

Der seit Juni 2005 von seiner Ehefrau getrennt lebende Antragsteller, ein Versicherungskaufmann, lebt seit 2007 in der Schweiz. Er betrieb im Streitjahr 2005 im Inland eine Agentur für Finanzdienstleistungen. Dieses inländische Gewerbe, Vermittlung von Versicherungen und Kapitalanlagen nach § 93 HGB, meldete er zum 31. Dezember 2006 ab. Außerdem war er Inhaber mit Einzelunterschrift der Firma „A Versicherungstreuhand“. Diese ist im Handelsregister des Kantons Aargau unter der Handelsregister-HR-Nummer … als Einzelunternehmen mit dem Zweck der Vermittlung von Versicherungen eingetragen (abrufbar unter www…..ch). Hierfür hatte der Antragsteller zum 1. Januar 2005 ein Büro im …str., …, Schweiz, angemietet. Inzwischen hat er deren Sitz innerhalb der Gemeinde … verlegt.


Der Antragsteller erklärte in seiner mit der Ehefrau eingereichten Einkommensteuer-ESt-Erklärung 2005 neben Einkünften aus Gewerbebetrieb in Höhe von 21.235 € sowie Vermietung und Verpachtung steuerfreie, lediglich im Progressionsvorbehalt zu berücksichtigende Einkünfte aus der o.g. „Versicherungstreuhand“, Betriebsstätte in der Schweiz, in Höhe von 131.902 €.


Der Antragsgegner berücksichtigte zunächst die ausländischen Einkünfte des Antragstellers erklärungsgemäß nur im Progressionsvorbehalt und setzte die ESt mit ESt-Bescheid 2005 vom 17. Januar 2007 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung -VdN- nach dem Splittingtarif in Höhe von 2.707 € fest. Er forderte jedoch den Antragsteller zur Vorlage einer Gewinnermittlung der Versicherungstreuhand in der Schweiz auf.


Gegen den ESt-Bescheid 2005 legte der Antragsteller Einspruch ein und legte eine Gewinnermittlung der Schweizer Versicherungstreuhand mit einem Gewinn in Höhe von 105.093,04 Schweizer Franken -CHF- (= 67.801,96 €) vor. Danach erzielte der Antragsteller ausschließlich Erträge aus Provisionen. Seine Einkünfte hatte er nach Schweizer Recht ermittelt und die Beiträge zur Schweizer Arbeitslosen- und Hinterlassenenversicherung -AHV- gemäß Art. 33 Abs. 1 Buchst. d des Schweizer Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer -DBG- vom 14. Dezember 1990, Systematische Sammlung des Bundesrechts -SR- 642.11, www.admin.ch) als Betriebsausgaben abgezogen. Wegen der Einzelheiten wird auf die sich in den ESt-Akten befindende Gewinn- und Verlustrechnung Bezug genommen. Der Antragsteller hat diese ausländischen Einkünfte in der Schweiz als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, Versicherungsvermittlung, einer Betriebsstätte mit Sitz im Kanton Aargau versteuert. Den Steuerbescheid der Steuerkommission …, Kanton Aargau, vom 2. Februar 2007 reichte er dem Antragsgegner ein. Wegen der Einzelheiten wird auf den sich in den ESt-Akten befindenden Steuerbescheid sowie die Schweizer Steuererklärung Bezug genommen.


Der Antragsgegner änderte daraufhin am 29. Januar 2007 den ESt-Bescheid 2005 erklärungsgemäß nach § 164 Abs. 2 Abgabenordnung -AO- und setzte ESt in Höhe von 1.967 € fest.


Mit ESt-Bescheid 2005 vom 10. Februar 2009 änderte der Antragsgegner erneut die ESt-Festsetzung und setzte nach dem Splittingtarif ESt in Höhe von 9.255 € fest. Nunmehr bezog er die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Antragstellers aus der Schweiz gemäß § 20 Abs. 2 Außensteuergesetz -AStG- in die steuerliche Bemessungsgrundlage ein. Er erhöhte auch den vom Antragsteller erklärten Gewinn. Er ermittelte diesen nach inländischem Steuerrecht und berücksichtigte die Beiträge zur (Schweizer) AHV nicht als Betriebsausgaben. Die Schweizer Steuer in Höhe von 8.013 € rechnete er jedoch an. Dies führte zu einer Nachzahlung von ESt in Höhe von 7.270 €, Zinsen zur ESt in Höhe von 797 € sowie Solidaritätszuschlag in Höhe von 304,76 €. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung -AdV- des gesamten Nachzahlungsbetrags.


Diese lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 27. März 2003 ab, da der Antragsteller keine Sicherheitsleistung erbracht hatte. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren stellte der Antragsteller einen Antrag auf AdV bei Gericht.


Er macht im Wesentlichen geltend, § 20 Abs. 2 AStG greife nicht ein. Er habe eine feste Geschäftseinrichtung in der Schweiz und erbringe dort eine aktive Tätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG. Die von ihm erbrachten Dienstleistungen seien aktive Tätigkeiten. Sie hätten keinen Kapitalanlagecharakter.


Er beantragt sinngemäß,


die Vollziehung des geänderten ESt-Bescheids 2005 vom 10. Februar 2009 auszusetzen, soweit die darin festgesetzten Beträge über die im vorausgegangenen Bescheid vom 29. Januar 2007 festgesetzten Beträge hinausgehen.


Der Antragsgegner beantragt,


den Antrag abzuweisen.


Er macht im Wesentlichen unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung geltend, eine AdV könne -wie schon im Einspruchsverfahren ausgeführt- nur gegen Sicherheitsleistung gewährt werden. Eine solche habe der Antragsteller jedoch nicht angeboten. Eine Sicherheitsleistung sei erforderlich, da der Antragsteller in die Schweiz verzogen sei und keine nennenswerten Einkünfte oder Vermögenswerte im Inland habe.


Während des Klageverfahrens führte der Antragsteller aus, er könne eine Grundschuld als Sicherheit anbieten.

Entscheidungsgründe

II.

Der zulässige Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist begründet.


Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO- kann das Gericht die Vollziehung unter anderem aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Nach der im Verfahren zur Erlangung des vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen, aber auch ausreichenden summarischen Überprüfung begegnet die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Änderungsbescheids solchen ernstlichen Zweifeln.


Der Antragsgegner stützt sich für den streitbefangenen Steueranspruch auf § 20 Abs. 2 AStG, dessen Anwendung die im DBA Schweiz für die vom Antragsteller erzielten Einkünfte vereinbarte Freistellungsmethode verdrängt und durch die Anrechnungsmethode ersetzt. Die vom Antragsgegner als Versicherungsvermittler eines Unternehmens mit einer festen Einrichtung in der Schweiz dort erzielten Einkünfte sind dem Grunde nach als Unternehmensgewinne gemäß Art. 7 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f i.V.m. Art. 5 Abs. 1 DBA Schweiz in der Schweiz zu besteuern. Sie werden grundsätzlich als Gewinne aus eigener Tätigkeit einer Betriebsstätte durch Erbringung von Dienstleistungen unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr gemäß Art. 7 i.V.m. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a DBA Schweiz im Inland von der Besteuerung freigestellt. In solch einem Fall verzichtet die Bundesrepublik Deutschland im Wege der Selbstbeschränkung auf ihr Besteuerungsrecht und stellt die ausländischen Einkünfte davon frei. Die DBA-Regelungen führen zu einer unmittelbar wirkenden sachlichen Steuerbefreiung im nationalen Recht (Tillmanns/Mössner in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, B 236). Damit sind die ausländischen Einkünfte der inländischen Besteuerung entzogen und werden wie steuerfreie Einkünfte behandelt. Mit § 20 Abs. 2 AStG werden die sich aus dem DBA Schweiz ergebenden Rechtsfolgen durch späteres innerstaatliches Recht abgeändert. Die ausländischen Einkünfte werden dann nicht mehr von der Besteuerung freigestellt, sondern in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen und die Doppelbesteuerung durch Anrechnung der ausländischen Steuer beseitigt. Ein solcher Eingriff in die Abkommenslage wird zwar vom Finanzgericht -FG- Münster (vgl. das Urteil vom 11. November 2008 15 K 1114/99 F, EW, EFG 2009, 309) für zulässig erachtet. Dass jedoch solch ein sog. treaty-overriding verfassungsrechtlich zulässig und innerstaatlich wirksam ist, wird hingegen im Fachschrifttum mit beachtlichen Erwägungen bestritten (vgl. etwa Gosch, IStR 2008, 413 ff. mit weiteren Nachweisen und Weigell, IStR 2009, 636). Immerhin hatte der Bundesfinanzhof -BFH- mit Beschluss vom 19. April 1999 I B 141/98 (BFH/NV 1999, 1317) entschieden, dass die Regelungen in einem DBA als spezialgesetzliche Regelungen dem § 34c Abs. 1 EStG vorgehen. Damit ist zweifelhaft, ob § 20 Abs. 2 AStG als allgemeinere Norm den früheren spezielleren DBA-Regelungen vorgehen kann. Hinzu kommt, dass nach dem Wortlaut des § 2 AO die völkerrechtlichen Verträge i.S.d. Art. 59 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz -GG- über die Besteuerung den Steuergesetzen vorgehen (vgl. Schröder/Strunk in: Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl. 2005, C 79, wonach gemäß § 2 AO ein DBA die Steuerfreistellung abschließend regelt; a.A. Kruse/Drüen in: Tipke/Kruse, AO, § 2 Rn. 1 f., 38). Eine Klärung dieser umstrittenen Rechtsfragen durch den BFH steht noch aus; sie ist in dem gegen das Urteil des FG Münster anhängigen Revisionsverfahren I R 114/08 zu erwarten. Das vorliegende, auf eine summarische Prüfung angelegte Verfahren auf AdV ist zu dieser Klärung allerdings nicht geeignet. Für den begehrten vorläufigen Rechtsschutz reicht die ernsthafte Möglichkeit aus, dass der Antragsteller mit seinem Begehren in der Hauptsache obsiegen kann. Von dieser Möglichkeit geht der Senat bei summarischer Prüfung aus.


AdV ist aber auch deshalb zu gewähren, weil ohne weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht abschließend beurteilt werden kann, ob der Antragsteller gemäß § 20 Abs. 2 AStG Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte erzielt, die als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, falls diese Betriebsstätte eine ausländische Gesellschaft wäre. Es steht nach den vorliegenden Unterlagen nicht zweifelsfrei fest, ob und welche Dienstleistungen der Antragsteller in der Schweiz gegen Entgelt erbracht hat. Er hatte zwar im Streitjahr 2005 auch eine Firma in der Schweiz, die Versicherungen vermittelte, und nach den Angaben in der Gewinnermittlung Provisionen vereinnahmte. Allein aufgrund dieser Tatsachen kann das Gericht aber nicht feststellen, für welche Tätigkeiten dem Antragsteller diese Provisionen zugeflossen sind und ob diese Einnahmen der Schweizer Betriebsstätte zuzurechnen sind. Zweifel ergeben sich schon daraus, dass der Antragsteller aus seiner langjährigen Versicherungstätigkeit im Inland Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von lediglich 21.235 € erklärt, während er in der Schweiz schon einen Gewinn in Höhe von 76.357 € erwirtschaftet hat, ohne zu erläutern, von wem und wofür er die Provisionen erhalten hat. Die Aufklärung dieser offenen Fragen bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Der Antragsteller hat jedoch infolge seiner Mitwirkungspflichten dem Antragsgegner bzw. dem Gericht im Hauptsacheverfahren die für die Klärung des offenen Sachverhalts erforderlichen Tatsachen darzulegen. Erst dann kann geprüft werden, ob die ausländischen Einkünfte des Antragstellers aus Dienstleistungen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG stammen.


Nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 FGO ist jedoch die AdV des ESt-Bescheids 2005 von einer Sicherheitsleistung des Antragstellers abhängig zu machen. Die Anordnung einer Sicherheitsleistung ist im Streitfall geboten, um im öffentlichen Interesse Steuerausfälle bei einem für den Antragsteller ungünstigen Verfahrensausgang zu vermeiden. Im Streitfall tritt das öffentliche Interesse an einer Sicherheitsleistung nicht zurück, da nicht mit Gewissheit oder großer Wahrscheinlichkeit ein für den Antragsteller günstiger Prozessausgang zu erwarten ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Oktober 1988 IV R 220/85, BStBl. II 1989, 39). Ob der vom Antragsteller angefochtene ESt-Bescheid rechtwidrig ist, ist offen, ohne dass eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Antragsteller obsiegen würde. Von einer Sicherheitsleistung ist auch nicht unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage des Antragstellers abzusehen. Es ist nicht belegt, dass er nicht in der Lage ist, Sicherheit in Höhe von 8.500.- € zu erbringen.


Die Kostenentscheidung folgt auf § 135 Abs. 1 FGO. Nachdem zur Frage der Sicherheitsleistung keine widerstreitenden Anträge gestellt worden sind, liegt in der diesbezüglichen Anordnung durch das Gericht kein Teilunterliegen des Antragstellers, das bei der Kostenentscheidung Berücksichtigung finden müsste. Der Antragsgegner hatte zwar eine AdV gegen Sicherheitsleistung angeboten, dann aber -nachdem keine Sicherheitsleistung geleistet worden war- die AdV gänzlich abgelehnt. Aus diesem Grunde hatte das Gericht im Streitfall nicht nur über die Frage der Sicherheitsleistung, sondern auch darüber zu entscheiden, ob eine AdV dem Grunde nach gewährt werden kann. Hätte der Antragsgegner die sich aus seinem Unterliegen ergebenden Kostenfolge vermeiden wollen, hätte er AdV gegen Sicherheitsleistung in näher zu bezeichnender Höhe gewähren müssen.


Die Beschwerde wird nicht zugelassen. Die entschiedenen Fragen liegen vor allem auf tatsächlichem Gebiet.

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